In den Fängen der Putzperle

Besuch von Norbert Neugirg begeistert im Sindersberger Altenheim 70 Senioren und Frau Huber

Weiden. (mte) Eine liebestolle Putzfrau, ein heißer Tanz zu Samba-Klängen und das vor Senioren, die zuvor reihenweise Witze auf seine Kosten gemacht haben. Das hat Norbert Neugirg wohl nicht erwartet, als der Kommandant der Altneihauser Feierwehrkapell’n zugesagt hat, unter der Leselampe im Sindersberger-Altenheim Platz zu nehmen.

 

Nun ist es zu spät … Also schlürft er scheinbar gelassen vor rund 70 Senioren aus dem Sindersberger – Altenheim und vor Gästen aus dem Michaelszentrum sein Lieblingsgetränk: Ingwer-Tee. Der soll gut für die Stimme sein. Bei Putzperle Frau Huber (alias Gerlinde Kledtke, Gerontofachkraft) macht sich die Wirkung deutlich bemerkbar: Ohne Unterlass schwärmt sie von ihrem „Herrn Norbert“ und schimpft über die vielen Gäste im Saal. Wollte sie doch ganz ungestört mit ihrem „Herrn Norbert“ in der Sofaritze verschwinden …

 

„Voll peinlich“ findet das Fonsi, der Sohn der Putzperle. Ihn mimt Tina Meyer, Beschäftigungstherapeutin im Seniorenheim. Heimleiter Bernd Hensel zupft die Saiten seiner Gitarre und die Senioren üben sich kurz in Thrombose-Prophylaxe, indem sie schmissig Gymnastik machen. So verrinnen die Minuten und Norbert Neugirg tut das, wofür er sonst eher weniger bekannt ist: Er hält die Klappe und hört zu. Zum Beispiel der Heimbeiratsvorsitzenden Anneliese Hein, die dichtet: „Alter kommt auch in Ihrem Leben, möge es Ihnen dann auch viel Freude geben.“

 

Nach etwa 20 Minuten die Sensation: Neugirg kommt doch zu Wort. Nein, eine Zangengeburt war er nicht, als er am 8. Oktober 1960 als erstes von fünf Kindern im Erbendorfer Krankenhaus zur Welt kam, sofort in Quarantäne musste und gierig Muttermilch in sich aufsog. Seine vor allem in Franken gefürchteten Talente hätte ihm wohl der Großvater väterlicherseits als Tubaspieler und Dichter „über irgendwelche Sekrete“ mitgegeben. „Ja, ja mit Sekreten kenn’ ich mich aus. Wenn S’ da herinnen putzen“, nickt Frau Huber, nippt vom Ingwer-Tee und hört vom „Rampensau-Gen“, das einzig Neugirgs Sohn mitbekommen habe.

 

Frau verdient das Geld Zwei weitere Kinder hat der Kommandant der Altneihauser noch, erfuhren die Senioren. Die 16 Jahre alte Tochter zum Beispiel, die ihren Vater zu guten Zeiten „peinlich“ und in schlechteren Momenten „übelst peinlich“ findet. Dabei ging’s mal ganz bieder zu in Neugirgs Leben.

Bürokaufmann habe er gelernt und zuletzt begleitend zum Künstlerdasein als Abteilungsleiter in der Porzellanindustrie in Eschenbach gearbeitet. In dem Moment dämmert es Anneliese Hein: „Deshalb ist die Industrie eingegangen“, meint die Seniorin frech. Tatsächlich könnte hier ein Zusammenhang bestehen, kontert Neugirg: „War ich doch zuvor im Bleikristallbereich tätig.“

Und nun tritt er mit seiner Kapell’n bei der Frankenfastnacht auf. „Aber da gibt’s doch nur eine Aufwandsentschädigung. Wie wollen Sie Ihre Familie ernähren? Mit Bücher schreiben? Da wird wohl die Frau schon immer arbeiten gegangen sein“, mutmaßt die Putzperle. Ja, die Frau sei eine fleißige Beamtin, sagt Neugirg. Er dagegen ein fleißiger Spazierer. „Täglich übe ich mich daran, mindestens eine halbe Stunde an der frischen Luft flott an jedem Wirtshaus vorbeizugehen.“

„Und wie machen Sie das mit ihren schwarzen Zähnen?“, will Anneliese Hein wissen. Mit handelsüblichem Zahnschwarz, verrät Neugirg und erklärt: „In Gelb gibt es das auch.“ – „Das nehmen wir hier alle“, ruft eine Seniorin aus der letzten Reihe in Richtung Sofa. Die Damen ganz vorne weisen derweil die Putzperle auf ihre Pflicht hin: „Der Herr Neugirg hat keinen Tee mehr.“ Dabei muss er doch gut bei Stimme sein, wenn er verbal bis ins Jahr 1985 zurückblickt. „Am Faschingssamstag hat sich die Feierwehrkapell’n mit fünf Mann gegründet.“ Nur drei davon sind heute noch dabei. „Der Rest ist gewachsen. Das kann man nicht casten.“

Ins Fernsehen sei die Kapell’n erst Mitte 2000 gekommen. Obwohl Neugirg bereits 1999 in Franken einen Zettel mit einer Telefonnummer zugesteckt bekommen hat. „Da hätte ich mich melden sollen, weil’s in Franken eine Kapelle gesucht haben. Ich dachte mir, da rufst nicht an, des kannst erwarten. Dann hat’s sechs Jahre gedauert.“ Mittlerweile hat es Tradition, dass Neugirgs Truppe die Franken piesackt. „Haben Sie eigentlich fränkische Freunde?“, will Frau Huber wissen. „Wenn wir dort spielen, platzen die Säle aus allen Nähten“, antwortet Neugirg. Und auch die Prominenten seien der Kapell’n nicht böse. Ganz im Gegenteil: „Wir haben sogar bei Seehofers 60. Geburtstag gespielt.“

 

Auf Tuchfühlung Aktuell arbeitet Neugirg an Texten für den Deutschen Internistenkongress in München. „Geht’s da ums Herzklopfen?“, fragt die Putzperle und fasst sich ans Dekolleté. „Da geht’s mehr um Darmsachen“, enttäuscht Neugirg die liebestolle Frau Huber. Deren Blick wandert doch glatt tiefer und prompt schafft sie es doch noch, mit ihrem „Herrn Norbert“ auf Tuchfühlung zu gehen. Hingebungsvoll tastet sie seine Körpermitte ab. Frau Huber sucht Neugirgs angebliche Problemzonen, bevor sie ihn zum Abschlusstänzchen mit ihr und den Senioren bittet und bilanziert: „So hat diese Couch noch nie gewackelt.“

Quelle: Der neue Tag, www.oberpfalznetz.de

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