Diakonie startet Täterberatung: „Gewalt lässt sich auch abtrainieren“

Viele Frauen wollen keine Trennung, sondern ein Ende der Gewalt. So die Erkenntnis der Mitarbeiterinnen im Frauenhaus. Doch den meisten Männern gelingt das nicht ohne Hilfe. Die erhalten sie jetzt beim Diakonischen Werk Weiden.

Weiden. (ps) Den Wunsch, nicht nur den Opfern von Gewalt, sondern auch den Tätern zu helfen, hatten Diakon Karl Rühl und Enikö Nagy schon lange. Jetzt ist der Wunsch des Geschäftsführers der Diakonie Weiden und der Leiterin des Weidener Frauenhauses in Erfüllung gegangen. Seit 1. Januar gibt es eine Täterberatungsstelle bei der Diakonie. Zuständig dafür ist Katja Deyerl. Ihr Einsatzbereich umfasst die gesamte Nordoberpfalz von Tirschenreuth über die Bereiche Neustadt/ WN, Weiden und Amberg bis zu Schwandorf. In Weiden, Amberg und Schwandorf werden noch geeignete
Beratungsräume gesucht.

Oberpfalz: Zwei halbe Stellen
Das Bayerische Sozialministerium hat die Einrichtung von Täterberatungs-stellen landesweit forciert. „Sonst gibt es in jedem Regierungsbezirk nur eine derartige Fachstelle“, erklärt Rühl. Doch in der Oberpfalz hätten sich die Diakonie Weiden und der Regensburger Verein „Kontakt“ schließlich darauf geeinigt, jeweils eine halbe Stelle einzurichten und die Zuständigkeitsbereiche in Nord- und Südoberpfalz aufzuteilen. Außerdem seien die Schwerpunkte etwas unterschiedlich. „Der Mitarbeiter in Regensburg hat mehr Erfahrungen mit Männern aus dem Strafvollzug, bei unserer Mitarbeiterin steht das Thema häusliche Gewalt im Mittelpunkt.“

„Täterberatung ist Opferschutz“, erklärt Katja Deyerl (42). Im Herbst hat die Diakonin und Sozialpädagogin, die in den vergangenen 13 Jahren in der Schulsozialarbeit am Förderzentrum Sulzbach-Rosenberg tätig war, die Weiterbildung zur Fachkraft für häusliche Gewalt begonnen. „Wir profitieren hier von den jahrelangen Erfahrungen in anderen Bundesländern.“ Die Weiterbildung sei standardisiert. Die Ausbilder durchwegs aktive Fach-kräfte der Bundesarbeitsgemeinschaft für häusliche Gewalt mit langjähriger Praxiserfahrung.

Die erste Projektphase ist laut Karl Rühl bis Ende 2022 vorgesehen. Zur Mit-finanzierung hat das Diakonische Werk jeweils 1500 Euro pro Jahr von der Stadt Weiden und den Landkreisen Neustadt/WN und Tirschenreuth beantragt. „Aus Neustadt kam bereits eine positive Rückmeldung.“

Nach neun Monaten gewaltlos
Ziel der Täterberatung ist es, so Deyerl, die Gewalt zu beenden. Der Betrof-fene muss allerdings zur Veränderung bereit sein. „Ich empfehle anfangs drei bis vier Einzelgespräche, um abzuklären, in welchen Situationen der Mann gewalttätig geworden ist. Was soll verändert werden und wie lässt sich das erreichen?“ Nur wenn der Betroffene zur Mitarbeit bereit sei, werde die Beratung fortgesetzt. „Gewalttätiges Verhalten ist erlernt, also kann es auch wieder abtrainiert werden.“ In Einzelgesprächen und Gruppentraining lernt der Täter, wie er in Szenarien, in denen er früher zugeschlagen hat, anders reagieren kann.

Die Erfahrungen der bereits existierenden Täterberatungsstellen sind sehr gut. „Nach etwa drei Monaten endet die Gewalt“, weiß Deyerl. „Der Mann brüllt vielleicht noch oder schlägt mit der Tür, aber nicht die Frau. Nach acht bis neun Monaten sind die Männer weitgehend gewaltlos, wenn sie dieses standardisierte Training absolviert haben.“ Viel Mut und der entsprechende Wille gehören dazu. „Wir bieten die nötige Unterstützung.“

„Eine Hand rutscht nicht aus“
„Jede vierte Frau in Deutschland ist von Gewalt betroffen. Das zieht sich quer durch alle Schichten“, weiß Enikö Nagy, die Leiterin des Weidener Frauenhaues. Wenn eine Frau nach der vorläufigen Trennung zu ihrem Mann zurückkehren wolle, sei die Täterberatung mit entsprechendem Training eine gute Alternative.

Der Mann müsse allerdings bereits sein, die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Denn, so Nagy: „Laut Studien gibt es keinen Affekt. Eine Hand rutscht nicht aus.“ Das Angebot der Täterberatung ist kostenlos und anonym. Es gilt übrigens auch für Frauen, die zu häuslicher Gewalt neigen. Zu über 80 Prozent geht die Gewalt jedoch vom männlichen Partner aus. Selbst wenn die Kinder verschont bleiben und sich während
der Auseinandersetzung im Nebenzimmer aufhalten, steht für Deyerl fest. „Wo es zu häuslicher Gewalt kommt, liegt immer eine Kindeswohlgefährdung vor.“

Zukunftsplan: „Weidener Modell“
Die Täterberatungsstelle soll deshalb über Kooperationsverträge mit Jugendämtern, Familiengerichten und anderen Einrichtungen vernetzt werden. Enikö Nagy plant für die Zukunft sogar ein „Weidener Modell“, ähnlich dem bereits existierenden „Münchner Modell“. Ziel ist ein standardisiertes Vorgehen von Frauenhaus, Jugendämtern und Justiz in Fällen von häuslicher Gewalt.

Denn häusliche Gewalt sei ein Sonderfall. Aber das, meint Nagy, sei nicht jedem Richter bewusst. Wenn ein narzisstischer Vater falsche Vorwürfe gegen seine Frau erhebe – zum Beispiel sie habe die Kinder entführt und verkaufe Drogen – könne es lange Zeit dauern, bis die Frau diese Vorwürfe wieder entkräfte. Die Täterberatung sei ein wichtiger Schritt, um das Verhalten der Betroffenen zu verändern. Letztlich würde sich dadurch auch in der Gesellschaft vieles verändern. „Aber das ist ein langer Prozess.“

Katja Deyerl ist über die E-Mail-Adresse
taeterberatung@diakonie-weiden.de
erreichbar oder über die Handynummer:
01520/3282838.

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