1515 Oberpfälzer – So viele waren bis Dienstag am Coronavirus verstorben. Damit sie den Verlust besser bewältigen können, startet nun ein Selbsthilfenetzwerk für Angehörige von Corona-Opfern – in Weiden.
VonWiebke Elges
Weiden. Nicht nur weil die Oberpfalz lange Zeit Corona-Hotspot war, gibt es viel Bedarf für Trauerhilfe. Deshalb trifft sich am 4. August das erste Mal eine Corona-Trauergruppe in Weiden. Der bayerische Landesbischof und EKD Ratsvorsitzende, Heinrich Bedford-Strohm, gab am Dienstag in einer Pressekonferenz den Startschuss für ein bayernweites Netzwerk von Selbsthilfegruppen.
„Die Situation trauernder Angehöriger geht mir seit Beginn der Pandemie sehr nahe“, sagte Bedford-Strohm beim Pressegespräch in Weiden. In Selbsthilfegruppen können sich Menschen mit ähnlichen Schicksalen austauschen. In
Kooperation mit der Selbsthilfekoordination Bayerns soll es für Corona-Trauernde künftig einen geschützten Raum geben.
Trauergruppe in Weiden
Immer wieder betont Bedford-Strohm in dem Gespräch die positive Energie, die durch das Angebot für Corona-Trauernde verbreitet wird. Es sei ein Zeichen der Hoffnung. „Das heute ist der Auftakt. Wir machen jetzt die Telefonnummer bekannt, damit Betroffene vielleicht den Mut finden, sich zu melden.“ Ziel sei später ein bayernweites
Netzwerk von Selbsthilfegruppen. Angehörige könnten bei einer zentralen Stelle eine Trauergruppe in ihrer Nähe erfragen oder Hilfe zur Gründung einer neuen Gruppe bekommen.
In Weiden findet der Austausch über die „Selbsthilfekoordination Bayern“ (SeKo) statt. „Selbsthilfe und Selbst-organisation im Sozial und Gesundheitsbereich zu stärken“ sei dabei das Ziel, erklärt die stellvertretende Geschäftsführerin der SeKo, Irena Težak.
Die Leiterin der Selbsthilfekontaktstelle Nordoberpfalz, Ramona Kriegler, sagt, dass die Treffen in Weiden anfänglich von der Diakonie begleitetet werden sollen. Der Landesbischof fügt hinzu, dass die Zusammenarbeit von Kirche und
SeKo in Weiden bereits beispielhaft funktioniere.
Austausch ist wichtig
Die Idee kam Bedford-Strohm laut eigener Aussage während der Gedenkfeier für die Opfer der Corona-Pandemie am 18. April, als er direkten Kontakt zu trauernden Angehörigen erlebte. Danach entschied der Landesbischof, die Gründung eines bayernweiten Selbsthilfe Netzwerkes zu unterstützen und Trauernden einen Raum zum Austausch zu
geben.
Dass Austausch wichtig ist, bestätigt auch Antonia Palmer. Die Jurastudentin verlor Anfang des Jahres ihren Vater an Covid-19. Daraufhin gründetet sie die erste Online-Selbsthilfegruppe in Deutschland. „Dadurch wollte ich den Verlust
realisieren und die Trauer irgendwie verarbeiten.“
Vorwürfen entgegentreten
Als besonders schlimm empfindet Palmer Corona-Leugner, die Trauernde beschimpfen und teilweise haltlose Argumente vorbringen. Auch beim Umgang hiermit kann die Gruppe helfen: gemeinsam Vorwürfen von Corona-Leugnern entgegenzutreten, sagt Palmer. Auch Anita Schedel empfindet den Austausch mit anderen Trauernden als
wichtig und hilfreich für die Bewältigung des Schmerzes. Sie hat ihren Mann an Corona verloren. Jetzt möchte Schedel anhand des „Weidener Modells“ auch eine Trauergruppe in München aufbauen.
Quelle: Der neue Tag Weiden Ausgabe vom 28.07.2021