Selbsthilfeförderung 2024 auf Höchststand

September 17th, 2024

Gemeinsame Pressemitteilung
IKK classic
AOK – Die Gesundheitskasse in Bayern
BKK Landesverband Bayern
KNAPPSCHAFT – Regionaldirektion München
Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG)
Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) – Landesvertretung Bayern

Augsburg, 21.08.2024. Die GKV-Fördergemeinschaft Selbsthilfe in Bayern hat die gesundheitsbezogene Selbsthilfe mit einem neuen Höchstbetrag von über 13 Millionen Euro gefördert.
Ein Großteil der Fördersumme der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) – rund 5,7 Millionen Euro – ging nach vorläufigen Zahlen an 2.163 Selbsthilfegruppen in Bayern. Die Selbsthilfegruppen erhalten zum einen pauschale Fördermittel für ihre regelmäßigen Aktivitäten, zum anderen projektbezogene Zuschüsse für ihre besonderen Vorhaben.
61 Landesorganisationen erhielten nach vorläufigen Zahlen Zuschüsse in Höhe von circa 2,8 Millionen Euro für ihre gesundheitsbezogenen Selbsthilfeaktivitäten. Diese umfassen insbesondere Beratung und Vernetzung der ihnen angeschlossenen Selbsthilfegruppen, Erstellung von Informationsmaterialien, Organisation von Schulungen, Seminaren und Tagungen sowie die Interessenvertretung ihrer Mitglieder im gesundheitspolitischen Bereich.
Zudem wurden 36 Selbsthilfekontaktstellen einschließlich ihrer angeschlossenen 13 regionalen Runden Tische in Bayern mit etwa 4,6 Millionen Euro gefördert. Die Selbsthilfekontakt-stellen bieten professionelle Unterstützung für die Selbsthilfegruppen und stärken die Kooperation der Selbsthilfegruppen untereinander.
Die Selbsthilfe ist eines der starken Fundamente der Gesundheitsförderung (Tertiärprävention) in Bayern und wird immer wichtiger. Den gesetzlichen Krankenkassen und ihren Verbänden ist es daher ein großes Anliegen, das Engagement auf allen Ebenen weiter zu stärken und finanziell zu unterstützen.
Die Pauschalförderung der Landesorganisationen wird durch alle an der GKV-Fördergemeinschaft beteiligten Krankenkassen vorgenommen. Bei der Projektförderung haben sich die beteiligten Krankenkassen – außer dem Verband der Ersatzkassen e.V.
(vdek) – grundsätzlich für eine gemeinsame Vergabe der Projektfördermittel entschieden. Der Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) vergibt seine Projektfördermittel individuell.

Federführung/Pressekontakt

IKK classic
Juliane Mentz
Pressesprecherin
Viktoria Durnberger
stv. Pressesprecherin
Tel. 0351 4292-281 450
presse@ikk-classic.de

Mitglieder:
AOK Bayern
Die Gesundheitskasse
Carl-Wery-Straße 28
81739 München
Telefon (089) 62 730-0

BKK Landesverband
Bayern
Züricher Straße 25
81476 München
Telefon (089) 74579-0

IKK classic
Böheimstraße 8
86153 Augsburg
Telefon (0821) 3158-0

Knappschaft
Regionaldirektion München
Putzbrunner Straße 73
81739 München
Telefon (089) 38175-0

Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als
Landwirtschaftliche Krankenkasse
Neumarkter Straße 35
81673 München
Telefon (0561) 785-0

Verband der Ersatzkassen
Landesvertretung Bayern
Arnulfstraße 201 a
80634 München
Telefon (089) 552551-0
als gemeinsamer Bevollmächtigter mit Abschlussbefugnis gemäß § 212 Abs. 5 SGB V für die Ersatzkassen

Von Ohnmacht und einem neuen Weg: Ehemaliger Täter erzählt, wie er aus dem Gewalt-Kreislauf ausgestiegen ist

September 4th, 2024

Jahrelang beherrschte Gewalt Helmuts Leben, bis er Hilfe bei einem Oberpfälzer Täterberater suchte – und fand. Der Familienvater erzählt, wie Veränderung und eine Abkehr von der Aggression gelingen kann. von Maria Oberleitner

Als Helmut seine Frau im Streit an den Haaren zog, war klar: So kann es nicht weitergehen. Die jahrelange Aggression, die Gewalt, die Angst und das Geschrei – das wollen beide nicht mehr. Die häusliche Gewalt, sie muss aufhören. Fast ein Jahr ist dieser Streit nun her. Und fast ein Jahr ist es nun her, dass Helmut, 36 Jahre alt und zweifacher Familienvater, einen neuen Weg beschritten hat – einen Weg ohne Gewalt.

Unterstützung fand er bei Jürgen Huhn, dem Oberpfälzer Täterberater bei der Diakonie. Der ist zuständig für die ganze Nordoberpfalz zwischen Amberg und Schwandorf, Weiden und Tirschenreuth und lehrt Männern, gewaltfrei zu leben und zu kommunizieren. Heute sagt Helmut: „Ich fühle mich viel freier, gelöster.“ Er habe gelernt, Konflikte ohne Gewalt zu lösen. In schwierigen Situationen fühle er sich nicht mehr so ausgeliefert, könne gelassener reagieren. Friedlicher sei sein Leben geworden, sagt Helmut, vor allem das Familienleben.

„Bei Meinungsverschiedenheiten mit meiner Frau war ich oft hilflos und fühlte mich ohnmächtig. Ich habe mich in solchen Situationen provoziert gefühlt. Was mich wirklich im Einzelnen verletzt hat, habe ich erst viel später gemerkt“, sagt der 36-Jährige. Helmuts Geschichte steht dabei symbolisch für viele andere Geschichten, erklärt Täterberater Huhn: „Es geht oft um Ohnmacht, um Selbstwert, das eigene Rollenverständnis und gelernte Verhaltensweisen.“ Huhn sieht dann genau hin, analysiert mit dem Täter zusammen: Wieso werde ich aggressiv? Was verletzt mich? Und der Experte zeigt Alternativen auf: Die Situation verlassen. Durchatmen. Einen Raum schaffen zwischen Reiz und Reaktion. Oder, wie Helmut sagt: „Weg von der Gewalt – und später hin zur Diskussion.“

Keine Bestrafung – sondern die Suche nach Lösungen

Jürgen Huhn ist Sozialarbeiter und -pädagoge, im April vergangenen Jahres hat er die Leitung der Nordoberpfälzer Täterberatung übernommen. Zu ihm kommen Familienväter, Partner. Männer aus jeder Gesellschaftsschicht, mit abgeschlossenem Studium oder aus dem Arbeitermilieu. „Klischees treffen da nicht zu“, sagt Huhn. „Das ist ein Problem, das alle betreffen kann.“ Seine Vision für die Zukunft? „Dass ich mich überflüssig mache.“ Er lacht. Bis dahin aber sei er froh über jeden, der den Schritt zur Beratung wage: Das Bewusstsein dafür, das sich etwas ändern müsse, das sei viel wert. Denn: „Täterarbeit ist immer Opferschutz“, sagt Huhn. Er wünsche sich, dass die Gesellschaft häusliche Gewalt nicht mehr als Kavaliersdelikt, als Bagatelle wahrnimmt. „Sondern als das, was es ist: Ein großes Problem.“ Bei der Beratung geht es Huhn aber nicht um Bestrafung – sondern um Lösungen. „Es wird nichts beschönigt, aber ich wurde auch nicht verurteilt“, erinnert sich Helmut. Die Barrieren seien dann schnell gefallen, trotz des großen Schamgefühls.

Auch die Beziehung zu seiner Frau sei jetzt wieder sehr gut, sagt er. „Wenn wir streiten, dann kann es schon mal noch erregter werden. Aber wir finden dann einen gemeinsamen Weg.“ Und das, obwohl er ihr Vertrauen immer wieder zerstört habe, erinnert sich Helmut. „Meine Frau hatte Angst vor mir, das war mir klar. Und habe oft versprochen: Das passiert nicht mehr.“ Und sich dann trotzdem nicht um Hilfe von außen gekümmert. „Erst als sie mit Trennung gedroht hat – völlig zu Recht – habe ich reagiert.“ Zuerst habe er sich selbst anzeigen wollen, habe einen Freund um Hilfe gefragt und kam durch dessen Empfehlung schließlich an Huhn.

Ein neuer Weg, ohne Gewalt

Sein alter Weg, sagt Helmut, war: Gewalt. „Der Weg war über die Jahre sehr ausgetreten und tief, da kommt man nicht so schnell raus.“ Einen neuen Weg, den gab es noch nicht, den habe er erst anlegen müssen, eine Abzweigung nehmen. „Das war ungewohnt, braucht Zeit und Geduld und klappt nicht gleich beim ersten Mal.“

Dieser neue Weg, für Helmut begann er auch mit einem Thriller von Sebastian Fitzek. Helmut warf einen Blick ins Vorwort von „Der Heimweg“ – und ihm wurde klar: „Ich bin auch dafür verantwortlich, wie die Zukunft meiner Kinder aussieht. Da gibt es keine Ausreden.“ Im Vorwort legt der Autor dar, was es für Kinder bedeutet, wenn der Vater Gewalt gegen die Mutter ausübt – nämlich eine Verdreifachung der Wahrscheinlichkeit, selbst im späteren Leben häusliche Gewalt zu erleben oder zu erdulden. „Es ist wie ein Automatismus, der sich über Generationen weiterträgt“, sagt Helmut. Da habe er verstanden: Verharmlosen und Schönreden hilft nichts. Nur, wer sich der Realität stelle, sich ein Problem eingestehe, könne beginnen sich zu ändern. Und die Dinge zum Besseren wenden.

Quelle: Der neue Tag

Isabellas Flucht vor häuslicher Gewalt: Neuanfang im Weidener Frauenhaus

September 4th, 2024

Isabella ist eine von rund 15 000 Frauen, die jedes Jahr vor Gewalt in Frauenhäuser fliehen. Mit nur einem Euro in der Tasche beginnt sie in Weiden ein neues Leben – ohne Gewalt und Manipulation.
von Maria Oberleitner

„Ich hatte nichts mehr – und doch alles.“ So erinnert sich Isabella an den Moment, in dem sie ihr neues Leben begann. Mit einem Euro Bargeld in der Geldbörse, einer Flasche Wasser in der Hand und dem Sohn auf dem Rücksitz des Autos fährt sie los, um einem Mann zu entkommen, der sie zehn Jahre lang tyrannisiert hat. Die Flucht ist nicht geplant, der Vater vermutet beide am Spielplatz. Dabei haben sie nur die Klamotten, die sie tragen, so fahren Mutter und Sohn stundenlang in Richtung Weiden. Denn hier im Frauenhaus, hat man Isabella gesagt, gibt es ein Zimmer für die beiden.

„Weiden in der Oberpfalz“, das hat der jungen Frau damals nichts gesagt. „Ich war so nervös. Und ich hatte keine Ahnung, wo ich hinfahre.“ Das Handy musste ausgeschaltet bleiben, sonst hätte der Mann sie orten können. Von Polizisten lässt sie sich deshalb eine Wegbeschreibung ausdrucken. Sie fährt vorsichtig, ist immer auf der Hut: Weil das Auto auf den Mann angemeldet ist, muss sie aufpassen, dass sie nirgendwo geblitzt wird. Dass sie keinen Unfall, keine Panne hat, keinen Strafzettel bekommt.

„Man kommt nicht ins Gefängnis, weil man jemanden schubst“

Stundenlange Unsicherheit – und doch: Glück. Freiheit. Wo sie herkommt, wie alt Isabella ist und wie sie wirklich heißt sollen zu ihrem Schutz nicht in der Zeitung stehen. Denn obwohl der Mann, vor dem sie geflohen ist, gerade hinter Gittern sitzt, hat Isabella Angst, ihm irgendwann über den Weg zu laufen. „Er wäre der Typ, der nicht zögern würde, eine Waffe zu ziehen“, sagt sie.

Über die Gewalt, die er ihr angetan hat, spricht Isabella kaum. Ihr Sohn sagt, er ist enttäuscht vom Papa. Der Junge, noch keine zehn Jahre alt, kennt keine Details. Doch er weiß, dass der Vater Isabella wehgetan hat: „Man kommt ja nicht ins Gefängnis, weil man jemanden schubst.“

In Weiden finden Isabella und ihr Sohn erste Rückendeckung: Klamotten aus dem Second-Hand-Laden. Wieder mit Bankkarte bezahlen, ohne, dass er davon weiß. Kümmern um Anzeige, um Auskunftssperre und Sorgerecht. Wenn Isabella mit ihrem Sohn heute über das Frauenhaus spricht, nennt sie es „Villa Kunterbunt“. So vieles ist unsicher, stressig, macht Angst – und trotzdem ist da unendliche Erleichterung.

Dieser Frauenhaus-Aufenthalt ist nicht Isabellas erster. Schon nach wenigen Jahren Beziehung, der Sohn noch ein Säugling, floh sie das erste Mal vor ihrem Partner. Isabella erinnert sich an lange Gänge, steril wie in einer Klinik. An eine hohe Hecke mit Stacheldraht obendrauf. An vergitterte Fenster. Wenn man sie fragt, ob sie sich nicht im Gefängnis gefühlt habe, antwortet sie: „Im Gegenteil. Wir waren sicher.“

Mit ihrer Geschichte und der Suche nach Sicherheit ist Isabella nicht allein. Im vergangenen Jahr war sie eine von 33 Frauen, die Zuflucht im Weidener Frauenhaus fanden, im Jahr 2022 haben hochgerechnet auf die rund 400 Frauenhäuser in Deutschland gut 14 400 Frauen und 16 670 Kinder und Jugendliche Schutz in einem Frauenhaus gefunden. Jedes Jahr beschützen Frauenhäuser mehr Kinder als Frauen vor häuslicher Gewalt. „Diese Kinder“, das betont Frauenhaus-Leiterin Enikö Nagy im Gespräch, „sind immer mit betroffen.“ Auch, wenn die Gewalt nicht gegen sie gerichtet ist, wie es auch bei Isabella und ihrem Sohn war: Trotzdem sah der Sohn die Wutausbrüche des Vaters, hörte die Schreie, spürte die Angst und Unsicherheit der Mutter. Und der Vater hatte das Kind fest eingewebt in sein Netz der emotionalen Erpressung und Manipulation.

Inzwischen haben Mutter und Sohn eine eigene Wohnung. Isabella ist wieder selbstbewusst, sicher, offen. Sie brauchte dafür Zeit, erinnert sie sich. Wochen vergingen, bis sie sich nicht mehr auf der Straße suchend umdrehte. „Wenn du abhaust, werde ich dich verfolgen“, die Drohung klang lange nach. Suchende Blicke im Supermarkt, beim Spazierengehen, beim Sport.

Die Eskalationsschleife steigert sich

Wo Isabellas Mann anfangs äußerst aufmerksam ihr gegenüber war, ihr das Gefühl gab, etwas ganz Besonderes zu sein, wurden Komplimente und Zuneigung später seltener, stattdessen etablierte er Kontrolle, Manipulation. „Er hat mich oft niedergemacht, mir jegliches Talent und Können abgesprochen“, erinnert sie sich. Er untersagte ihr, mit Freunden über „Familiendinge“ zu sprechen. Irgendwann, erinnert sie sich, habe sie Kontakte gemieden. Sie war allein. Die Gewalt, psychisch und physisch, nahm währenddessen stetig zu. „Ich lebte in ständiger Angst vor seinem nächsten Ausbruch“, erzählt Isabella.

Nagy spricht von einer „Eskalationsschleife“: „In Missbrauchsbeziehungen gibt es auch gute und schlechte Tage“, erklärt sie. „Aber die Gewalt, die steigert sich, die Abstände zwischen den Ausbrüchen werden kürzer. Und sie fällt nie wieder auf Null zurück.“ Und so spricht Isabella von dem einen Streit, der alles veränderte: Er hatte sie gezwungen, sich in den nächsten zwei Tagen das Leben zu nehmen. Ihr detailliert erklärt, wie genau sie was wann tun sollte. „Mir wurde klar, dass ich so nicht weiterleben kann. Vermutlich hätte es auch meinen Tod bedeutet, bei ihm zu bleiben.“

Isabella verließ mit ihrem Kind das Haus – und schon im Auto wusste sie: Es gibt kein zurück. Ob der Sohn trotzdem mit ihr kommen wolle – oder lieber beim Vater bleiben? Die Antwort berührt Isabella noch heute: „Mama, was für eine Frage. Natürlich bleibe ich bei dir.“ Die Mutter war – und ist – seine Bezugsperson, seine Verbindung zur Welt.

Weiter – ins „Hexenhaus“

So richtig Luft holen können Mutter und Sohn hier in Weiden auch nicht, keine zwei Wochen können sie bleiben, weil Isabella bemerkt: Das beim Partner verbliebene I-Pad empfängt offenbar auch Standortdaten, wenn ihr Handy aus ist. Also weiter. Diesmal mit dem Zug, diesmal mit zwei Koffern und drei Tüten. Zwischen ihrem alten Zuhause und dem Obdach für die kommenden sechs Monate – Isabella und ihr Sohn nennen es liebevoll „Hexenhaus“ – sollten schließlich 900 Kilometer liegen.

Fragt man sie heute, wie die Zeit im „Hexenhaus“ war, sagt Isabella: „Nervenaufreibend. Und anstrengend.“ Laut sei es gewesen, und voll. „Die Zimmer waren zum Teil doppelt belegt, insgesamt waren 20 Kinder auf engstem Raum beisammen. „Die einen mussten Hausaufgaben machen, andere waren laut – und wieder andere wollten gern schlafen“, erinnert sie sich. „Aber“, schiebt sie schnell hinterher, „es ist alles besser als kein Dach über dem Kopf zu haben.“

„Ins Frauenhaus geht nur, wer wirklich keinen anderen Ausweg mehr sieht“, sagt Enikö Nagy. „Und das ist meist erst sehr spät im langen Gewaltverlauf.“ Zwei Drittel der von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen suchen sich gar keine Hilfe. Und trotzdem ist es keine Selbstverständlichkeit, dass Frauen, die vor Gewalt fliehen, einen Schutzplatz finden – in Weiden muss jede dritte Anfrage abgelehnt werden: Platzmangel. Schutzsuchende sehen sich oft gezwungen, beim Gewalttäter zu bleiben: Bundesweit fehlen gemessen an den Empfehlungen des Europarates über 14 000 Frauenhausplätze.

Nach Aufenthalten in drei verschiedenen Häusern in ganz Deutschland lebt Isabella nun ein neues, selbst bestimmtes Leben. „Obwohl mich das Jahrzehnt mit einem narzisstischen Partner und die Erfahrung häuslicher Gewalt tief geprägt haben“, sagt Isabella heute. Mit ihrer Geschichte will sie vor allem eins: anderen Betroffenen Mut machen, den Schritt zu wagen und sich Hilfe zu suchen. „Niemand sollte in Angst leben müssen, und es gibt immer einen Weg hinaus – besonders, wenn man die Verantwortung für ein Kind trägt.“

Quelle: Der neue Tag

Weidener Frauenhaus plant Ausbau und Fachberatungsstelle

September 4th, 2024

Mit drei zusätzlichen Plätzen will das Frauenhaus Weiden auf mehr häusliche Gewalt reagieren. Erstmals soll eine Beratungsstelle auch Prävention ermöglichen – und mehr Gewaltvermeiden. Was noch fehlt, ist die Zustimmung der Kommunen.
Von Maria Oberleitner

Weiden. Ab dem neuen Jahr soll es im Weidener Frauenhaus acht Plätze für Frauen geben –und damit einen mehr als bislang. Langfristig sollen drei zusätzliche Plätze entstehen. Auch eine Fachberatungsstelle bei häuslicher Gewalt (mit zwei Vollzeitkräften) soll aufgebaut werden, wenn es nach Frauenhausleiterin Enikö Nagy und der Weidener Gleichstellungsbeauftragten Susanne Reinhardt geht. Beraten werden soll persönlich, telefonisch und online.

Das Weidener Frauenhaus bietet aktuell Schutz für sieben Frauen mit sieben bis12 Kindern, pro Jahr finden hier bis zu 90 Frauen und ihre Kinder Obdach. Der achte Platz soll mit baulichen Veränderungen einen der bisherigen Räume als Wohngemeinschaft ausstatten. Langfristig – also für den neunten und zehnten Platz – aber müsse ein neues Gebäude gefunden werden, sagt die Frauenhaus-Leiterin. Denn schon jetzt gibt es hier keine spezialisierten Räume –wie ein Gemeinschaftszimmer, ein Beratungszimmer, ein Spielzimmer oder einen Hausaufgabenraum. „Es besteht insgesamt Bedarf, die fast 30 Jahrealten Strukturen anzupassen“, sagt Nagy.

Bislang keine andere Anlaufstelle
Ohne Beratungsstelle sei das Frauenhaus nicht vollständig, sagt sie. „Momentan ist es so, als hätte unsere Region zur Gesundheitsversorgung nur eine Intensivstation, die aber auch die Notaufnahme und die Rezeption in der Klink betreut.“ Gewaltschutz bestehe aber aus verschiedenen Bausteinen. Eine Fachberatungsstelle bei häuslicher Gewalt soll nun das Frauen-und Kinderschutzhaus entlasten – und Prävention für die Region ermöglichen: Zum Beispiel für Schulen oder Schutzkonzepte für Vereine.
Denn obwohl ambulante Beratungen im Frauenhausbetrieb eigentlich nicht vorgesehen sind, stehen die Weidener Mitarbeiterinnen hier jährlich rund 90 Frauen, die von Gewalt betroffen sind, mit Rat beiseite. „In Weiden sowie den Landkreisen Neustadt und Tirschenreuth gibt es keine andere Anlaufstelle bei häuslicher Gewalt“, sagt Nagy. Sie erzählt, man habe schon vor drei Jahren eine digitale Plattform zur Onlineberatung erstellt – könne sie aber nicht betreiben: Zu wenig Personal. Das soll sich nun ab dem neuen Jahr ändern.

Zum ersten Mal Prävention
Etwa jede Dritte Frau ist von Gewalt betroffen, zwei Drittel der Betroffenen suchen keine Hilfe: Nicht bei der Polizei, nicht im Frauen-haus, sagt Nagy. „Oft fehlt das Ver-trauen in staatliche Institutionen, oder die Angst oder Scham vordem Täterbringen sie zum Schweigen.“ Solch eine Anlaufstelle würde nun „zum ersten Mal Prävention hier in der Region möglich machen“, sagt Nagy. Sie betont: Die Hemmschwelle, bei einer Fachberatungsstelle Hilfe zu suchen, sei niedriger als die, beim Frauenhaus anzurufen. „Gleichzeitig ist alles, was vorab ambulant und durch Prävention vorweggenommen wird, wesentlich günstiger als die Unterbringung im Frauenhaus –dann, wenn die Situation schon eskaliert ist.“ Und, Nagy ergänzt, auch wesentlich günstiger als die Folgekosten von Gewalt für die Gesellschaft. Ganz abgesehen vom Leid, das man einigen Frauen ersparen könnte.
„Unsere Gesellschaft wird nachweislich immer gewaltbereiter“, sagt Nagy. Die Zahlen geben ihr Recht: Während 2022 noch 240547 Menschen von häuslicher Gewalt betroffen waren, sind es 2023 schon 256276 –ein Plus von 6,5 Prozent. Und bereits im Jahr zuvor waren die Zahlen um zehn Prozent in die Höhe geschnellt. Nagy sieht Gewalt als „zentrales Thema“ der kommenden Jahrzehnte.
Ohne eine solche Fachberatungsstelle und den achten bis zehnten Platz –der auch mehr bezahlte Stunden für Arbeit im Gewaltschutz mit sich bringt –sei das Frauenhaus in Weiden dauerhaft überlastet, sagt Nagy.„Wir haben uns zweckdienlich eingerichtet, so gut es ebenmöglich ist“, sagt Nagy. Aber sie spricht auch von Überbelegung in Frauenhäusern.

So wird berechnet
Früher wurde die Anzahl der Frauenhausplätze aus den Frauen, die in der Region leben, errechnet, dann –mit den Maßgaben der Istanbul-Konvention –aus den Menschen, die im Einzugskreis leben. Nach dieser Berechnung wären den drei Nordoberpfälzer Kommunen (mit insgesamt mehr als 200 000 Einwohnern) 52Schutzplätze für Mütter und Kinder (18 für Tirschenreuth, 10,5 für Weiden, 23,5 für Neustadt/WN) ans Herz zu legen.
Finanziert werden Frauenhäuser über einen Sockelbeitrag vom Bund, Lohn-und Sachkosten teilen sich Kommunen und der Träger, der zehn Prozent der Kosten selbst aufbringt. Der achte Platz würde den Landkreisen Tirschenreuth und Neustadt/WN sowie der Stadt Weiden jährlich rund je 4500 Euro kosten – das Gebäude würde weiterhin die Diakonie zur Verfügung stellen. Die Fachberatungsstelle würde bei den drei Kommunen mit je rund 27 500 Euro zu Buche schlagen. Die zuständigeR egierung befürwortet beides: Die Einrichtung der Fachberatung sowie den achten Platz. Nun braucht man noch eine befürwortende Stellungnahme der Kommunen.

Quelle: Der neue Tag

„Wie der Staat Frauen alleinlässt“: Lesung und Gespräch mit Rechtsanwältin Asha Hedayati

September 4th, 2024

› Was: Die Autorin und Rechtsanwältin Asha Hedayati liest aus ihrem Buch „Die stille Gewalt –Wie der Staat Frauen allein lässt“ und spricht zum Thema Gewalt an Frauen
› Wann: Freitag, 13.September 2024, 17.30Uhr
› Wo: Stadtlabor DENK.max, Stadtmühlweg2in Weiden

Gewalt gegen Frauen ist eines der drängendsten Probleme unserer Zeit, sie hat sich in den letzten Jahren noch einmal deutlich verschärft. Asha Hedayati, Anwältin für Familienrecht, beschreibt in ihrem Buch „Die stille Gewalt“, wie der Staat die betroffenen Frauen alleinlässt, und zeigt auf, was sich ändern muss, damit die zuständigen Institutionen wirklich den Schutz bieten, den sie leisten sollten. Am 13.September ist Hedayati in Weiden, um ihr Buch vorzustellen und über das Thema zu sprechen.
Die Autorin, so steht es im Klappentext ihres Buches, macht immer wieder die Erfahrung, dass die staatlichen Strukturen „Frauen nicht nur unzureichend vor Gewalt schützen, sondern sogar selbst Teil eines gewaltvollen Systems sind“. Partnerschaftsgewalt sei wie ein blinder Fleck bei Familiengerichten, Polizei und Jugendämtern, in Sorge-und Umgangsrechtsverfahren. Dabei sei jede vierte Frau ist einmal in ihrem Leben von Gewalt in ihrer Partnerschaft betroffen; mit großer Sicherheit haben alle im Bekannten- und Freundeskreis sowohl Betroffene als auch Täter.
Hedayati wurde 1984 in Teheran geboren, studierte Rechtswissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin. Als Rechtsanwältin arbeitet sie seit fast zehn Jahren im Bereich des Familienrechts und vertritt dabei schwerpunktmäßig von Gewalt betroffene Frauen in Trennungs-, Scheidungs-, und Gewaltschutzverfahren. Neben der Arbeit als Anwältin, bildet sie laut Angaben ihres Verlags Sozialarbeiterinnen von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen im gesamten Bundesgebiet aus und ist Gastdozentin für Familienrecht und Kinder-und Jugendhilferecht an der Alice-Salomon-Hochschule und der Paritätischen Akademie für Studierende des Studiengangs Soziale Arbeit.
Veranstalter der Lesung in Weiden ist das Netzwerkgegen Gewalt Nordoberpfalz in Kooperation mit Amnesty International/Oberpfälzer Bündnis für Toleranz und Menschenrechte Weiden/Politische Frauen Weiden –SPD, Grüne, Liberale Frauen, Frauenunion/VHS–Volkshochschule Weiden/Weiden ist Bunt e.V. (üd)

Quelle: Der neue Tag

Zu wenig Platz: Oberpfälzer Frauenhäuser auf Kante genäht

September 4th, 2024

Bundesweit fehlen tausende sichere Plätze für Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind –gleichzeitig steht die Finanzierung von Gewaltschutz auf wackeligen Beinen. Ein Blick auf die Situation der Frauenhäuser in Weiden und Amberg.
Von Maria Oberleitner

Amberg/Weiden. Das Telefon im Weidener Frauenhaus steht nicht mehr still. Am Morgen sind zwei freie Zimmer gemeldet worden
– eine echte Seltenheit. Am anderen Ende der Leitung: eine Frau, die eine Betroffene von häuslicher Gewalt auf der Straße aufgelesen hat
– diese war wohl erst in einem Keller eingesperrt, später hat man sie auf die Straße gesetzt. Ihr Schicksal wird, zusammen mit dem vieler anderer Frauen, am Ende des Jahres als Nummer in den Statistiken der Frauenhäuser zu finden sein: wenn sie Glück hat, als Bewohnerin.

Wenn die Frauen weniger Glück haben, landen sie als Absage in den Statistiken. Denn normalerweise gibt es hier im Weidener Frauenhaus keine freien Zimmer, sagt Frauenhaus-Leiterin Enikö Nagy. Das kennt man auch in Amberg: Hier lag die Auslastung im Jahr 2023 bei 94,6 Prozent. Im Juli, erinnert sich Nagy, gab es sogar eine Zeit lang bayernweit keinen einzigen freien Platz. Wenn in Weiden doch mal etwas frei ist, dauert es nicht selten nur wenige Stunden, bis der Platz vergeben ist. Für jede Frau, die hier Zuflucht vor häuslicher Gewalt findet, muss das Team rund um Nagy drei andere Frauen weiterschicken. Und sie ergänzt: An emotionalen Feiertagen wie Weihnachten oder in den Ferien ist der Bedarf oft noch viel höher.

Rüge von Grevio-Expertengruppe
Dass es deutschlandweit nicht genügend sichere Plätze für Frauen gibt, die vor Gewalt fliehen müssen, steht spätestens seit 2022 fest, als das Land von der Grevio-Expertengruppe des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, gerügt wurde
– unter anderem wegen fehlender Zufluchtsplätze. Wieder klingelt das Telefon. Diesmal geht es um zwei Frauen, die in anderen Frauenhäusern von ihren Männern entdeckt wurden und weiterziehen müssen. Nur wenig später sind Mitarbeiter aus Bezirkskrankenhäusern in der Leitung, die Obdach suchen für Frauen, die wegen häuslicher Gewalt in psychische Krisen geraten waren.

Fehlende Ressourcen
Berücksichtigt man die Istanbul-Konvention, einen bindenden völkerrechtlichen Vertrag zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, den Deutschland 2018 ratifiziert hat, so würden 21 000 Schutzplätze benötigt. Laut der aktuellen Frauenhaus-Statistik aus dem Jahr 2022, die Daten von 179Frauenhäusern ausgewertet hat, gab es damals aber lediglich Platz für 6431Frauen und ihre Kinder. Hochgerechnet auf die rund 400 Frauenhäuser in Deutschland ist laut dem Verein Frauenhaus – Koordinierung davon auszugehen, dass 2022 rund 14 400 Frauen– und zusätzlich ihre Kinder – Schutz fanden.
Hätte sie ein paar Wünsche frei, sagt Andrea Graf, Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF), doppelt so viele Plätze und eine sichere Finanzierung stünden weit oben auf der Liste. Der Sozialdienst ist Träger des Amberger Frauenhauses. Graf berichtet von immer komplexer werdenden Fällen, für deren Betreuung man eigentlich mehr Zeit bräuchte. Eine Psychologin oder eine Kinderthera-peutin wären eine echte Bereicherung, sagt sie. Und schiebt schnell hinterher: „Ich weiß aber auch, dass das utopische Wünsche sind.“ Es fehlt aber nicht nur im Frauenhaus selbst an Ressourcen, sondern auch außerhalb: das gilt für Kindergartenplätze, bezahlbare Wohnungen, Therapieplätze
–die Frauenhäuser spüren das – denn sie müssen oft auffangen, was an struktureller Versorgung fehlt.

Flickenteppich-Finanzierung
Graf sagt aber auch: „Viel wichtiger wäre es aber, das, was schon vorhanden ist, richtig zu finanzieren – und an die Realität anzupassen.“ Sonst seien die sicheren Plätze schnellgefährdet. Finanziert werden Frauenhäuser über einen Sockelbeitrag vom Bund, Lohn-und Sachkosten teilen sich Kommunen und der Träger. Für den Träger bedeutet das: Zehn Prozent der Kosten bleiben an ihm hängen, finanziert werden diese meistens über Spenden. Oft decken die zehn Prozent Eigenanteil die Kosten aber nicht ab, erzählt Graf. „Die staatliche Förderung ist gedeckelt. Die Gehälter steigen aber trotzdem.“ Graf nennt hier als Problem, was auch bereits vom Europa-Expertenrat bemängelt wurde: Bislang gibt es statt einem einheitlichen Rechtsrahmen zur Finanzierung der Frauenhäuser einen Flickenteppich. Denn aktuell ist diese Finanzierung eine Sache der Länder und Kommunen –und eben nicht einheitlich geregelt.

Die Weidener Frauenhaus-Leiterin Enikö Nagy hofft auf das von der Regierung angekündigte Gewalthilfe-Gesetz. Denn im Koalitionsvertrag der Ampel steht, dass der Bund Einheitlichkeit schaffen und in die Finanzierung einsteigen will. Noch einmal klingelt das Telefon an diesem Vormittag im Weidener Frauenhaus. Diesmal versucht ein Kriminalpolizist aus einer Nürnberger Notaufnahmestelle sein Glück. Er sucht ein Zimmer für eine Frau, die mehrfach misshandelt und gewürgt wurde –mit ihren drei Kindern nun kurzfristig bei Verwandten untergekommen ist, aber dort nicht lang bleiben kann. „Gewaltschutz kostet zwar Geld“, sagt Nagy, „rettet aber Leben.“

Quelle: Der neue Tag

SprachClub im Kulturwerk

Juli 10th, 2024

“SprachClub im Kulturwerk”: lachen, leben, lernen!
Das interkulturelle Clubteam geht mit gutem Beispiel voran und integriert sich selbst mit dem Projekt in die deutsche Gesellschaft – mit Hilfe zur Selbsthilfe und wertvoller Unterstützung der evangelischen Kirchgemeinde St. Michael.

Diakonisches Werk Weiden e.V.

Die Migrantinnen und Migranten haben jetzt einen Anlaufstelle in direkter Nähe der Gemeinschaftsunterkunft, damit sie aktiv Deutsch sprechen können. Dies ist das Ziel des Begegnungs- und Austauschprojekts “SprachClub im Kulturwerk”.

Das Projekt läuft seit Mai 2024 wöchentlich in lockerer Atmosphäre.
Der Sprachclub schließt die große Lücke in der Sprachanwendung nach dem Spracherwerb. Für viele besteht die Hürde im Bewerbungsgespräch: ohne gutes Deutsch keine Arbeit, ohne Arbeit nur wenige Gelegenheiten zur Sprachanwendung.

Das Team des Sprachclubs weiß aus eigener Erfahrung: durch Gespräche kann man in der Sprachpraxis schnell Fortschritte machen.
Die Freiwilligen aus der Ukraine, Deutschland und dem Iran organisieren solche Gespräche und unterstützen die Gäste.
Das Team experimentiert mit neuen Ideen, um effektiver zu werden. Die Programme zur multikulturellen Kommunikation des Sprachclubs sind für jeden Tag unterschiedlich konzipiert, somit ist jedes Treffen des Sprachclubs einzigartig.

Übersicht der Aktivitäten:

  • wöchentliche 2-stündige Treffen mit Gespräche zu festgelegten unterschiedlichen Themen
  • Handouts, aktives Durchmischen der Teilnehmer an den Tischen, Kinderbetreuung
  • direkter Kontakt zu den Teammitgliedern als Ansprechpartner: Betreuung und Coaching
  • besondere Programme: Oktoberfest mit Bayrisch-Einsteiger-Kursen
  • Vorträge mit relevanten Themen für die Teilnehmer

Freunde, Netzwerke und Kooperationspartner:

  • Integrationsnetz Weiden: Initiatoren
  • Kirchengemeinde Kreuz Christi Weiden: Kooperationspartner
  • Ukrainische Gemeinde Weiden e.V.: Mitveranstalter
  • Sprachtreff im Café farbenfroh, St. Michael: Sharing-Partner

Diakonisches Werk Weiden e.V.

Integrationslotsin Weiden
Sebastianstr 18
92637 Weiden
Tel: +49 1575 1197736
E-Mail: integrationslotse@diakonie-weiden.de
Website: https://lotse.diakonieweiden.de/

Erste Dekanatsfusionin Bayern: Kirche stellt Weichen

Juli 8th, 2024

Weiden. (epd) Aus drei evangelischen Dekanaten in Nordostbayern wird eines: Seit 1. Juli haben sich als erste in der bayerischen Landeskirche die bislang selbstständigen Dekanatsbezirke Cham, Sulzbach-Rosenberg und Weiden zu einem einzigen Dekanatsbezirk zusammengeschlossen.

Das neue Dekanat sei „ein großer, zukunftsträchtiger kirchlicher Wurf“, der auf einem „großen Gemeinschaftswerk“ von Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen basiere, sagte der Regensburger Regionalbischof Klaus Stiegler am Freitag in Weiden bei der Vorstellung des neuen Dekanatsbezirks. Kooperation in Nachbarschaftsräumen sei „ein Schlüssel für die zukünftige kirchliche Entwicklung“, sagte Stiegler weiter. Als kleiner werdende Kirche brauche man „kluge und zukunftsträchtige Strukturen“. Denn der Rückgang an Mitgliedern, Finanzen und Personal fordere die Kirche heraus. Um auch künftig nah bei den Menschen zu bleiben, seien Strukturreformen unausweichlich, sagte der Regionalbischof. „Sie entlasten das Kirchenpersonal an anderer Stelle.“

Die Leitung des neuen Dekanats übernehmen Dekan Thomas Guba aus Weiden und Dekanin Ulrike Dittmar, die schwerpunktmäßig für die Region Süd mit Sulzbach-Rosenberg und Cham zuständig ist. Mit einem Festgottesdienst am 13. Juli in der Christuskirche in Sulzbach-Rosenberg soll die Fusion offiziell besiegelt werden.

Das neue Dekanat mit dem Namen Cham/Sulzbach-Rosenberg/Weiden gehört zu den ersten, die mit den Umstrukturierungen in der bayerischen Landeskirche Ernst machen. Aus den 66 Dekanatsbezirken sollen
bis zum Jahr 2030 44 Dekanate werden. Im neuen Dekanatsbezirk zwischen Arber und Rauhem Kulm leben aktuell 68600 Evangelische in 69 Kirchengemeinde. Das Gebiet reicht von Waldsassen im Norden bis Zwiesel im Südosten und von Etzelwang im Kreis Amberg-Sulzbach bis zur tschechischen Grenze. Es umfasst sechs Landkreise sowie die kreisfreien Städte Amberg und Weiden. Der größte Teil gehört zur Oberpfalz, aber auch der niederbayerische Landkreis Regen ist dabei, ebenso die oberfränkischen Gemeinden Speichersdorf
und Wirbenz im Landreis Bayreuth.

Quelle: Der neue Tag 06.07.2024

Sucht kann jede(n) treffen!?

Juni 25th, 2024

„Von der Liebe zum Suchtmittel hin zu der Liebe zu mir selbst“ –
Bayernweiter Selbsthilfefachtag Sucht und Gesundheit 2024

Am 14. Juni fand in der Max-Reger-Halle in Weiden in der Oberpfalz der diesjährige Suchtfachtag unter dem Motto „Sucht kann jede(n) treffen!? Geschlechts- und altersspezifische Suchtthematiken im Fokus“ statt. Die Veranstaltung war ein großer Erfolg und zog knapp 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, darunter Betroffene, Fachpersonen aus dem Sucht- und Gesundheitsbereich sowie andere Interessierte aus ganz Bayern (und teilweise sogar darüber hinaus).

Der Fachtag begann mit einer Begrüßung der Anwesenden durch SeKo Bayern, gefolgt von einem Videogrußwort der bayerischen Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention sowie Schirmherrin des diesjährigen Fachtags, Judith Gerlach.

Anschließend sprach Klaus Grothe-Bortlik, Vorstand des Selbsthilfekontaktstellen Bayern e.V., ein Grußwort vor Ort und dankte dabei allen Beteiligten des Fachtags für ihr Engagement.

Der erste Fachvortrag des Vormittags wurde von Psychologin Sandra Schmid gehalten, die sich als Leiterin der Abteilung für frauenspezifische Therapie der Johannesbad Fachklinik Furth im Wald schon seit vielen Jahren intensiv mit ihrem Vortragsthema „Die weibliche Seite der Sucht – Risiken, Konsumverhalten und Bedürfnisse in der Therapie“ auseinandersetzt. Sie beleuchtete die spezifischen Herausforderungen und Besonderheiten, denen Frauen im Kontext von Sucht begegnen, und rief zu einer gendersensiblen und angepassten Unterstützung auf – für alle Geschlechter. Denn, so zitierte sie den Sozialtherapeuten Wilhelm Sannemann, „die Sucht hat kein Geschlecht, die suchtkranken Menschen allerdings.“ Die Folien zum Vortrag können Sie hier herunterladen. 

Dr. Markus Wittmann, ärztlicher Direktor des Bezirksklinikums Wöllershof, folgte mit einem Vortrag über „Sucht als Generationen übergreifende Erkrankung“. Er zeigte auf, wie Suchtproblematiken sich in verschiedenen Altersgruppen und Generationen unterscheiden und präsentierte eindrückliche Daten und Fakten. So geht beispielsweise erwiesenermaßen das Einstiegsalter für sowohl legale als auch illegale Drogen zurück und Erstkonsument*innen werden immer jünger. Auch, dass ältere Betroffene bei der Suchtarbeit häufig vergessen werden, erwähnte der Psychiater: „Da sagt man schnell, der ist eh schon so alt, da lohnt sich das gar nicht mehr, noch gegen die Sucht anzugehen. Aber mit dem Rauchen aufzuhören, lohnt sich auch mit 100 noch!“

Ein besonderes Highlight war das anschließende Podiumsgespräch zwischen Diakon Karl Rühl und zwei Selbsthilfeaktiven der Gruppe „Leben ohne Sucht“, Patrick und Manuel. Dieses Gespräch bot tiefgehende Einblicke in die persönlichen Erfahrungen und den Weg zur Suchtbewältigung der Beteiligten und die Offenheit und Ehrlichkeit, mit der auf der Bühne gesprochen wurde, berührte die Zuhörenden. 
Patrick beschrieb den Tiefpunkt seiner Sucht so: „Ich habe mich nicht mehr für mich selber interessiert; mir war egal, was aus mir wird.“ Durch Klinik- und Rehaaufenthalte, viel Arbeit an sich selbst und die nachsorgende Unterstützung in der Selbsthilfegruppe, kann er heute mit Stolz sagen: „Der Kernpunkt ist Liebe. Die Entwicklung war von der Liebe zum Suchtmittel hin zu der Liebe zu mir selbst.“ – eine Botschaft, die inspiriert.

Nach einer stärkenden Mittagspause boten verschiedene Workshops die Möglichkeit, sich in kleineren Gruppen intensiv mit spezifischen Themen auseinanderzusetzen. Diese erstreckten sich von Sucht im Alter oder rund um die Schwangerschaft über Kreativität als Ressource im Kampf gegen (Sucht-)Erkrankungen bis hin zu einfachen und effektiven Entspannungsübungen für den Alltag und ermöglichten Austausch auf Augenhöhe.

Der Suchtfachtag in Weiden bot wertvolle Informationen, regte zum Nachdenken an und förderte den Kontakt zwischen Betroffenen und Fachpersonen. Die positive Resonanz der Teilnehmer*innen und Mitwirkenden zeigt uns wieder, wie wichtig solche Veranstaltungen sind, um gemeinsam gegen Sucht und für Gesundheit vorzugehen.

Gefördert wurde der Fachtag vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege und Prävention und der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, veranstaltet von SeKo Bayern e.V. in Kooperation mit der Bayerischen Akademie für Sucht und Gesundheit, der Koordinierungsstelle Sucht und der Selbsthilfekontaktstelle Nordoberpfalz (SeKo Nopf).

v.l.n.r: Bettina Lange (KBS), Mitglied der Selbsthilfegruppe „Leben ohne Sucht“, Liane Menke (Universitätsklinikum Jena), Manuel Woyschnitzka und Patrick Schwab (Gruppe „Leben ohne Sucht“), Monika Gerhardinger (Fachambulanz für Suchtprobleme Regensburg), Dr. Beate Erbas (BAS), Klaus Grothe-Bortlik (Vorstand SeKo Bayern e.V.), Lilli Sense (SeKo Bayern), Jürgen Huhn und Brigitte Lindner (SeKo Nopf); vorne: Eva Vitzthum (Fachambulanz für Suchtprobleme Weiden), Karolina (Sozialpädagogin und ehem. Betroffene)

Die weibliche Seite der Sucht im Fokus

Juni 25th, 2024

Warum greifen Frauen zu Suchtmitteln? Wie sehen Behandlungskonzepte speziell für suchtkranke Frauen aus? Diese Fragen sind unter anderem Thema beim Selbsthilfefachtag in Weiden.

von Mareike Schwab

Unabhängig von Alter, Geschlecht und der aktuellen Lebenssituation: „Sucht kann jede(n) treffen“. Unter diesem Motto steht der Selbsthilfefachtag „Sucht und Gesundheit“ in Weiden. In diesem Jahr steht die geschlechts- und altersspezifische Suchtthematiken im Fokus. Ein Drittel der Suchtkranken in stationärer Behandlung sind Frauen, sagt Sandra Schmid, Leiterin der Abteilung für frauenspezifische Therapie in der Johannesbad Fachklinik in Furth im Wald. Die Psychologin möchte ihren Vortrag beim Suchtfachtag deshalb nutzen, um mit Vorurteilen gegenüber suchtkranken Frauen aufzuräumen.

Frauen konsumieren heimlich und wirkungsbezogen, erklärt Schmid. Das heißt, sie nutzen beispielsweise die stimulierende Wirkung von Alkohol, um mehr leisten zu können und der Mehrfachbelastung standzuhalten. Männer hingegen konsumieren häufig im Sozialverband. Der Ursprung der männlichen Sucht liegt also meist woanders. Deshalb seien geschlechterspezifische Angebote, also Angebote speziell auf Frauen oder Männer zugeschnitten, auch so wichtig, sagt Schmid.

Neben stationären Behandlungen spielen vor allem Selbsthilfegruppen bei der Rehabilitation eine große Rolle. 20 Prozent der Suchtkranken schafften es laut Schmid ausschließlich durch den Besuch einer Selbsthilfegruppe abstinent zu werden. Bei der Bewältigung des Alltags mit der Sucht oder der Problematik kann eine ebenfalls betroffene Person sehr gut vermitteln, sagt Irena Težak, Geschäftsführerin der Selbsthilfekoordination Bayern. Der Austausch in einer Gruppe mit anderen, die dasselbe Problem haben, ist etwas völlig anderes als eine medizinische oder therapeutische Behandlung. „Selbsthilfe versteht sich als Ergänzung zum Profisystem“, sagt Težak.

Doch wo gibt es Selbsthilfegruppen und Selbsthilfekontaktstellen in der Oberpfalz? Auch darüber soll der Fachtag der Selbsthilfekoordination Bayern am Freitag, 14. Juni, in der Max-Reger-Halle informieren. Teilnehmen darf jeder: Egal ob Betroffene, Angehörige, interessierte Bürger oder Mitarbeiter im Sucht- und Gesundheitsbereich. Ziel des Suchtfachtags ist es, Selbsthilfe, also das Erfahrungswissen von Betroffenen und die Profiseite, also Mitarbeiter von Beratungsstellen oder Fachkliniken, auf Augenhöhe miteinander in Kontakt zu bringen, sagt Irena Težak.