Mit drei zusätzlichen Plätzen will das Frauenhaus Weiden auf mehr häusliche Gewalt reagieren. Erstmals soll eine Beratungsstelle auch Prävention ermöglichen – und mehr Gewaltvermeiden. Was noch fehlt, ist die Zustimmung der Kommunen.
Von Maria Oberleitner
Weiden. Ab dem neuen Jahr soll es im Weidener Frauenhaus acht Plätze für Frauen geben –und damit einen mehr als bislang. Langfristig sollen drei zusätzliche Plätze entstehen. Auch eine Fachberatungsstelle bei häuslicher Gewalt (mit zwei Vollzeitkräften) soll aufgebaut werden, wenn es nach Frauenhausleiterin Enikö Nagy und der Weidener Gleichstellungsbeauftragten Susanne Reinhardt geht. Beraten werden soll persönlich, telefonisch und online.
Das Weidener Frauenhaus bietet aktuell Schutz für sieben Frauen mit sieben bis12 Kindern, pro Jahr finden hier bis zu 90 Frauen und ihre Kinder Obdach. Der achte Platz soll mit baulichen Veränderungen einen der bisherigen Räume als Wohngemeinschaft ausstatten. Langfristig – also für den neunten und zehnten Platz – aber müsse ein neues Gebäude gefunden werden, sagt die Frauenhaus-Leiterin. Denn schon jetzt gibt es hier keine spezialisierten Räume –wie ein Gemeinschaftszimmer, ein Beratungszimmer, ein Spielzimmer oder einen Hausaufgabenraum. „Es besteht insgesamt Bedarf, die fast 30 Jahrealten Strukturen anzupassen“, sagt Nagy.
Bislang keine andere Anlaufstelle
Ohne Beratungsstelle sei das Frauenhaus nicht vollständig, sagt sie. „Momentan ist es so, als hätte unsere Region zur Gesundheitsversorgung nur eine Intensivstation, die aber auch die Notaufnahme und die Rezeption in der Klink betreut.“ Gewaltschutz bestehe aber aus verschiedenen Bausteinen. Eine Fachberatungsstelle bei häuslicher Gewalt soll nun das Frauen-und Kinderschutzhaus entlasten – und Prävention für die Region ermöglichen: Zum Beispiel für Schulen oder Schutzkonzepte für Vereine.
Denn obwohl ambulante Beratungen im Frauenhausbetrieb eigentlich nicht vorgesehen sind, stehen die Weidener Mitarbeiterinnen hier jährlich rund 90 Frauen, die von Gewalt betroffen sind, mit Rat beiseite. „In Weiden sowie den Landkreisen Neustadt und Tirschenreuth gibt es keine andere Anlaufstelle bei häuslicher Gewalt“, sagt Nagy. Sie erzählt, man habe schon vor drei Jahren eine digitale Plattform zur Onlineberatung erstellt – könne sie aber nicht betreiben: Zu wenig Personal. Das soll sich nun ab dem neuen Jahr ändern.
Zum ersten Mal Prävention
Etwa jede Dritte Frau ist von Gewalt betroffen, zwei Drittel der Betroffenen suchen keine Hilfe: Nicht bei der Polizei, nicht im Frauen-haus, sagt Nagy. „Oft fehlt das Ver-trauen in staatliche Institutionen, oder die Angst oder Scham vordem Täterbringen sie zum Schweigen.“ Solch eine Anlaufstelle würde nun „zum ersten Mal Prävention hier in der Region möglich machen“, sagt Nagy. Sie betont: Die Hemmschwelle, bei einer Fachberatungsstelle Hilfe zu suchen, sei niedriger als die, beim Frauenhaus anzurufen. „Gleichzeitig ist alles, was vorab ambulant und durch Prävention vorweggenommen wird, wesentlich günstiger als die Unterbringung im Frauenhaus –dann, wenn die Situation schon eskaliert ist.“ Und, Nagy ergänzt, auch wesentlich günstiger als die Folgekosten von Gewalt für die Gesellschaft. Ganz abgesehen vom Leid, das man einigen Frauen ersparen könnte.
„Unsere Gesellschaft wird nachweislich immer gewaltbereiter“, sagt Nagy. Die Zahlen geben ihr Recht: Während 2022 noch 240547 Menschen von häuslicher Gewalt betroffen waren, sind es 2023 schon 256276 –ein Plus von 6,5 Prozent. Und bereits im Jahr zuvor waren die Zahlen um zehn Prozent in die Höhe geschnellt. Nagy sieht Gewalt als „zentrales Thema“ der kommenden Jahrzehnte.
Ohne eine solche Fachberatungsstelle und den achten bis zehnten Platz –der auch mehr bezahlte Stunden für Arbeit im Gewaltschutz mit sich bringt –sei das Frauenhaus in Weiden dauerhaft überlastet, sagt Nagy.„Wir haben uns zweckdienlich eingerichtet, so gut es ebenmöglich ist“, sagt Nagy. Aber sie spricht auch von Überbelegung in Frauenhäusern.
So wird berechnet
Früher wurde die Anzahl der Frauenhausplätze aus den Frauen, die in der Region leben, errechnet, dann –mit den Maßgaben der Istanbul-Konvention –aus den Menschen, die im Einzugskreis leben. Nach dieser Berechnung wären den drei Nordoberpfälzer Kommunen (mit insgesamt mehr als 200 000 Einwohnern) 52Schutzplätze für Mütter und Kinder (18 für Tirschenreuth, 10,5 für Weiden, 23,5 für Neustadt/WN) ans Herz zu legen.
Finanziert werden Frauenhäuser über einen Sockelbeitrag vom Bund, Lohn-und Sachkosten teilen sich Kommunen und der Träger, der zehn Prozent der Kosten selbst aufbringt. Der achte Platz würde den Landkreisen Tirschenreuth und Neustadt/WN sowie der Stadt Weiden jährlich rund je 4500 Euro kosten – das Gebäude würde weiterhin die Diakonie zur Verfügung stellen. Die Fachberatungsstelle würde bei den drei Kommunen mit je rund 27 500 Euro zu Buche schlagen. Die zuständigeR egierung befürwortet beides: Die Einrichtung der Fachberatung sowie den achten Platz. Nun braucht man noch eine befürwortende Stellungnahme der Kommunen.
Quelle: Der neue Tag