Ambulanten Pflegedienst der Diakonie begleitet
Die Krankenpflegehelferin Maria tourt täglich durch Weiden. Sie kümmert sich um kranke und alte Menschen, die Zuhause leben. Unter Zeitdruck leistet sie körperlich anstrengende Arbeit.
Es ist Badetag. Maria dreht das Wasser in der Dusche auf, streift Gummihandschuhe über, fährt Herrn Maiers Bett hoch und setzt ihn auf. Sie schnallt zwei Gurte um Bauch und Beine, greift ihm unter die Arme. Es dauert Minuten und Maria braucht mehrere Anläufe, bis Herr Maier im weißen Plastikrollstuhl mit dem Loch in der Mitte sitzt. Maria zieht ihm das T-Shirt über den Kopf und hebt Herrn Maier (Name geändert) noch ein paar Mal hoch, um die Windel unter ihm hervorzuziehen. Es riecht nach Urin.
„Ich will nicht alt werden“, sagt Maria, 60. Sie weiß, was sie erwartet. Die Krankenpflegehelferin arbeitet beim ambulanten Pflegedienst der Diakonie. Um 7.45 Uhr parkt Maria den Dienstwagen, ein weißlackierter Seat Mii mit blauem Logo an den Seiten, vor Herrn Maiers Haus. Sie kramt im Einkaufskorb auf dem Beifahrersitz – ihr mobiles Büro – nimmt eine Tüte mit Medikamenten, Handy, Schlüssel, Klemmbrett und ein Täschchen mit ihrer Lesebrille heraus. Die etwa 1,65 Meter große Frau hat Mühe, alles ins Haus zu tragen. Bevor sie den Briefkasten des Patienten leert, drückt sie auf den Knopf des Aufzugs: „Um Zeit zu sparen“, erklärt Maria, die ihren vollen Namen nicht in der Zeitung lesen will.
Einsatz mit Stoppuhr
Die Pflegerin fährt in den vierten Stock und öffnet die Türe zu einer weitläufigen, hellen Dachwohnung. Der Stil der Wohnung erinnert an die Bauwerke von Rudolf Olgiati, einem Schweizer Architekten: weiße Wände, weiße Küche, zimmerhohe Fenster zur Terrasse, schlichtes, zeitloses Design. Herr Maier, 71, war Architekt. „Guten Morgen“, ruft Maria im Flur.
Herr Meier leidet an Multipler Sklerose, ist fast gelähmt und lebt alleine. Maria startet auf ihrem Smartphone eine Stoppuhr. Ihr Einsatz bei Herrn Maier beginnt. Er soll nur eine knappe Stunde dauern.
Herr Maier ist kein Einzelfall. 90 Prozent der 2,6 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden laut einer Aufstellung des Statistischen Bundesamts zu Hause versorgt. Über 600 000 von ihnen nehmen die Unterstützung eines ambulanten Pflegedienstes an.
Zähneputzen, Duschen, Rasieren, Eincremen, Wickeln, Anziehen, Umbetten. Maria, weißes T-Shirt, weiße Hose, geht liebevoll mit Herrn Maier um. Nach 45 Minuten liegt er in schwarzer Jogginghose und weinrotem Polo-Shirt mit Lacoste-Krokodil auf der Brust im Bett. Maria zieht die Handschuhe aus und wischt sich mit einem Kosmetiktuch die Schweißperlen von der Stirn. Sie wirft es in die Plastiktüte zur benutzen Windel.
Die körperlich schwere Arbeit strengt Maria an, obwohl sie fast täglich im Fitnessstudio trainiert. Auf die Gurte, um Herrn Maier aus dem Bett zu hieven, will sie nicht verzichten. „Manche Kolleginnen schaffen es ohne Hilfsmittel, aber ich habe nicht die richtige Statur dafür.“
„Manchmal wäre ein Mann hilfreich“, sagt Angelika Zürcher, die Leiterin der ambulanten Pflege der Diakonie Weiden. Es sind hauptsächlich Frauen, die sich um Kranke und Senioren kümmern: Von 320 000 Mitarbeitern im ambulanten Pflegedienst sind 87 Prozent weiblich („Pflegestudie 2013“, statistisches Bundesamt). In Weiden gibt es bei der Caritas drei männliche Pfleger, bei der Diakonie keinen. Ein Grund: Die Mehrheit der Pflegebedürftigen ist weiblich (61 Prozent) und wünscht sich Frauen.
Frühstück am Bett
Herr Maier schaltet per Fernbedienung das Radio an. Klavierklänge erfüllen die Wohnung. Ein Klassik-Sender aus Berlin, erklärt er. „Brauchen Sie noch etwas?“, fragt Maria und stellt einen Teller mit zwei Wurstsemmeln und Apfelsaft auf den Tisch neben das Bett. Herr Maier winkt lächelnd ab. „Manche sind dankbar über unsere Arbeit, andere nicht“, sagt Maria. Herr Maier freue sich immer, wenn jemand von der Diakonie kommt, er sei nie unzufrieden.
Bevor sie ihn kurz vor 9 Uhr verlässt, dokumentiert Maria ihren Einsatz. Die Krankenleistungen – Blutdruckmessen und Medikamentenverabreichung – hält sie im Handy und auf Papier fest. Die Pflegeleistungen wie das Duschen muss sie nur ins Smartphone tippen.
Um 5.30 Uhr war Maria beim ersten Patienten. Nach einer etwa vierstündigen Tour ist Herrn Huber der letzte Senior des Tages, den sie besucht. Maria füllt für ihn eine rosa Fußbadewanne mit Leitungswasser. Es sprudelt wie ein Whirlpool. Der 89-jährige sitzt im fliederfarbenen Bademantel auf einem Stuhl in einer winzigen, modrigen Küche. Auf der Anrichte steht benutztes Geschirr, auf dem Fensterbrett kleine Figuren wie aus Überraschungseiern. Die Schuhe bleiben am Boden kleben und es schmatzt, wenn Maria darüber läuft. Es ist fast zehn, auf dem Herd steht das Mittagessen bereit: Leber mit Zwiebeln. Die Pflegerin misst Herrn Hubers Blutdruck. Dreimal startet sie das Messgerät. Der Blutdruck bleibt zu hoch. „Das kontrollieren wir morgen wieder.“