Zuflucht für 89 Menschen

Jahresbilanz des Frauenhauses: Zahlen auf hohem Niveau

Weiden. (fku) Vielleicht ist es am besten, sich zunächst von falschen Vorstellungen zu verabschieden: Nein, es trifft nicht nur Frauen aus Arbeiterfamilien, Akademiker sind genauso unter den Opfern – und Tätern. Und nein, das Problem ist nicht nur auf bestimmte Altersgruppen beschränkt. 18-Jährige suchten genauso Hilfe wie Seniorinnen, sagt Marianne Kleber-Meierhöfer. Häusliche Gewalt gibt es überall.

 

Kleber-Meierhöfer versucht mit ihren Mitarbeiterinnen, wenigstens das Schlimmste zu verhindern: Sie ist die Leiterin des Frauenhauses, das nun seine Jahresbilanz vorstellte. 47 Frauen mit 42 Kindern fanden im vergangenen Jahr dort Zuflucht vor körperlicher, aber auch psychischer oder sexueller Gewalt in ihrem eigentlichen Zuhause. Die Zahlen sind etwas niedriger als noch 2010 – damals waren es 54 Frauen und 41 Kinder. Trotzdem sei das Niveau unverändert hoch, so Kleber-Meierhöfer.

 

Dabei sind die Aufnahmezahlen ohnehin nur ein kleiner Ausschnitt der Realität. Die Leiterin zitiert eine Studie, wonach jede vierte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben Opfer häuslicher Gewalt wird. Nur: Solche Zahlen mögen sich dramatisch anhören, ein neues Phänomen sind sie laut Kleber-Meierhöfer indes nicht. „Ich glaube nicht, dass sie gestiegen sind, ich glaube, dass es schon immer so schlimm war.“ Dass es seit einigen Jahren vergleichsweise viele sind, die Hilfe im Frauenhaus suchen, liege vielmehr daran, „dass das Thema nicht mehr das Tabu ist wie noch vor 20 Jahren“. Und mit der Diskussion darüber seien nunmal auch mehr Betroffenen Hilfsangebote wie das Frauenhaus bekannt.

 

Langes Zögern

Dabei dauert es auch heute noch lange bis sie dort Zuflucht suchen. Durchschnittlich, so Kleber-Meierhöfer, halten sie ihre Leiden sieben Jahre lang aus. Manchmal sei es aber auch noch deutlich mehr Zeit – dann seien es auch Seniorinnen, die erst nach 20, 30 Jahren mit einem gewalttätigen Mann zu handeln wagen. Auslöser dafür, endlich etwas zu unternehmen, seien mal massive Verletzungen, häufig planten Frauen diesen Schritt aber auch über lange Zeit hinweg.

Gründe für häusliche Gewalt sind ebenso unterschiedlich. „Oft ist es in der Persönlichkeit des Täters begründet, dass er Macht, Kontrolle ausüben will.“ Manchmal brauche es einen zusätzlichen Auslöser, Stress, hervorgerufen etwa durch Arbeitslosigkeit, Schulden – oder den Umstand, dass Kinder neu in die Beziehung kommen. Vielleicht ist das auch eine Erklärung für eine weitere Auffälligkeit in der Statistik: Viele der 2011 aufgenommenen Frauen – drei Viertel von ihnen – waren Mütter. 22 von ihnen brachten ihre Kinder mit, von denen die Hälfte unter sechs Jahre alt war.

 

42 Prozent der Frauen waren bis zu zwei Wochen in der Einrichtung, rund ein Drittel länger als sechs Wochen. Ähnlich verschieden gestaltete sich die Zeit nach dem Aufenthalt. Während der überwiegende Teil den Schritt in die Unabhängigkeit wagte, zu Verwandten, einem neuen Partner oder in andere Einrichtungen zog, ging immerhin fast jede Fünfte wieder zurück in das frühere Zuhause.

Rückkehr zum Peiniger

Zu den Gründen dafür zählen der Leiterin zufolge mal die Kinder, die sich nach ihrer alten Schule, den Freunden sehnen. Mal sind es die Partner, die beteuern, dass sie sich ändern würden. Die Leiterin und ihre Mitarbeiter sehen das bestenfalls „mit gemischten Gefühlen“. Häufig ändere sich der Partner eben nicht.

Nach einer kurzen, leidlich friedlichen Phase „wird es in der Regel sogar noch schlimmer“. Das zeigt sich auch in der Statistik: Elf der Frauen, die 2011 die Hilfe der Einrichtung in Anspruch nahmen, waren zuvor schon einmal in einem Frauenhaus – viele davon wegen desselben Partners. Noch eine Auffälligkeit findet sich in den Zahlen des Jahresberichts: 20 der Frauen kamen aus anderen Regionen, manchmal auch aus anderen Bundesländern – nicht selten, weil sie aus Sicherheitsgründen weit weg von ihrer alten Heimat regelrecht fliehen mussten. Hinzu kamen 17 Frauen aus Weiden – aus dem Landkreis Neustadt/WN waren es dagegen nur sechs, aus dem Kreis Tirschenreuth nur vier.

 

Stadt-Land-Gefälle

Eine bemerkenswerte Differenz, über „die wir auch schon oft nachgedacht haben“, so Kleber-Meierhöfer. Eine schlüssige Erklärung hätten sie bislang noch nicht gefunden. Klar sei nur, woran es nicht liege: Das Klischee vom friedlicheren Leben auf dem Dorf sei falsch. „Auf dem Land gibt es auf keinen Fall weniger häusliche Gewalt.“ Auch so eine Vorstellung, von der man sich verabschieden muss.

Helfer und Spenden gesucht

Weiden. (fku) Träger des Frauenhauses ist das Diakonische Werk. Die Einrichtung bekommt zwar öffentliche Zuschüsse, ist laut Leiterin Marianne Kleber-Meierhöfer jedoch auch dringend auf Spenden angewiesen. Im vergangenen Jahr ermöglichten beispielsweise „Lichtblicke Tirschenreuth“ und die Stadt Weiden die Erneuerung der Außenspielanlage. Spendenmittel von „Inner Wheel“ und „Adventslicht“ halfen bei der Finanzierung eines Kunstherapie-Projekts für die Kinder der betreuten Frauen. Trotz solcher Unterstützung hat die Einrichtung weiter Bedarf; so muss beispielsweise der Parkettboden dringend überholt werden.  

Spenden an das
Diakonische Werk Weiden e.V.,
Evangelische Kreditgenossenschaft Nürnberg,

Bankleitzahl 520 604 10,

Konto 260 80 14,

Verwendungszweck: Frauenhaus.

Daneben ist das Frauenhaus auch auf ehrenamtliche Mitarbeiterinnen angewiesen. 22 sind es aktuell, die unter anderem die Rufbereitschaft rund um die Uhr ermöglichen und bei verschiedenen Aktivitäten helfen. Auch hier sucht das Frauenhaus weitere Unterstützer (Telefon 0961/389 31 70).

 

Umfassende Hilfe

Weiden. (fku) Drei hauptamtliche Fachkräfte und eine Bürgerarbeiterin kümmern sich im Frauenhaus um Hilfesuchende. Eine harte Arbeit – denn zum einen haben die Belegungszahlen die geplante Auslastung überschritten. Zum anderen müssen sie Frauen (und deren Kinder) in einer extrem schwierigen Situation umfangreich unterstützen. Die Aufarbeitung des Geschehenen und die Überwindung der Gewalt ist beispielsweise genauso Thema wie beispielsweise die Existenzsicherung der Frauen, Erziehungsfragen oder erste Schritte auf dem Weg in die (wirtschaftliche) Unabhängigkeit der Betroffenen. Frauen, die selbst Hilfe brauchen, können das Frauenhaus rund um die Uhr erreichen: Telefon 0961/389 31 70.

Quelle: Der neue Tag, www.oberpfalznetz.de 

Comments are closed.