Polizei und Diakonie starten Kooperation für Frauen in Not
Weiden. (ps) Die Thematik ist alt, der Ansatz neu. Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, bleiben in den meisten Fällen bei ihrem Mann. „Eine Stresssituation zu verlassen, ist nicht einfach, vor allem für Mütter“, weiß Diakon Karl Rühl. Doch unabhängig davon sei es wichtig, diesen Frauen Hilfe zu bieten. Das soll im Raum Weiden-Neustadt-Tischenreuth jetzt noch intensiver geschehen. Polizeipräsident Gerold Mahlmeister und Diakon Rühl bekräftigten dies am Dienstag mit ihrer Unterschrift. Sie unterzeichneten die Kooperationsvereinbarung zum proaktiven Beratungsansatz zwischen dem Diakonischen Werk Weiden und dem Polizeipräsidium Oberpfalz.
Polizei hinterlässt Lücke
„Der Polizist muss nach einem Vorfall oft gehen und weiß, er hinterlässt eine Lücke, die sozialberaterisch geschlossen werden müsste“, sagt Rühl. Die neue Kooperationsvereinbarung – angeregt durch das Bayerische Sozialministerium – sieht nun folgendes vor: „Unsere Polizeibeamten fragen die betroffenen Frauen, ob sie mit der Weitergabe ihres Namens einverstanden sind“, erklärt Mahlmeister. Wenn die Frauen zustimmen, wird Martina Pain-Liebl informiert. Die Sozialpädagogin ist bei der Diakonie eigens für diesen Bereich zuständig. 12 Stunden pro Woche sind dafür vorgesehen. Aufgabe von Martina Pain-Liebl ist es, die Frau innerhalb von drei Tagen zu kontaktieren und ihr die verschiedenen Beratungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Die Kooperation mit der Diakonie lag nahe, so Rühl, weil sie in Weiden bereits das Frauenhaus betreibt. „Unsere Fachkräfte bieten selbst ambulante Beratung, und die Leiterin Marianne Kleber-Meierhöfer hat viele Kontakte zu anderen Beratungsstellen.“ Mit diesem Hilfsangebot soll die Spirale der Gewalt so früh wie möglich durchbrochen werden, macht Polizeipräsident Mahlmeister klar. Wichtig sei das nicht zuletzt für die oft mitbetroffenen Kinder. Immerhin 262 Fälle von häuslicher Gewalt notierte die Polizei in der Nordoberpfalz 2015, ein Jahr zuvor waren es 282. Oberpfalzweit ist die Zahl 2015 sogar gestiegen. „Wir wollen beim ersten Aufschlag Hilfe anbieten.“ Dabei ließe sich manches auch straffrei gestalten. Ein weiterer Vorteil, laut Martina Pain-Liebl: „Bei uns und in vielen Beratungsstellen sind Frauen die ersten Ansprechpartner.“ Sie unterliegen selbstverständlich der Schweigepflicht.
Trotz positiver Erfahrungen in Regensburg, Amberg und Schwandorf räumt der Polizeipräsident ein: „Wenn 10 Prozent das Angebot annehmen, sind wir zufrieden.“ Auch Kleber-Meierhöfer weiß: „Die meisten Frauen hoffen, dass alles wieder gut wird.“ Dass die Kooperation in der Nordoberpfalz später startet als im Süden, liegt laut Rühl zum einen an der schlechten Finanzlage der hiesigen Kommunen: „Keiner hat sich gesperrt, aber es ist auch niemand wild darauf, zusätzliche Leistungen zu übernehmen.“ Zum anderen wird das Projekt erst seit 2015 vom Sozialministerium gefördert – mit 80 Prozent der Kosten. Jeweils 10 Prozent übernehmen die Kommunen und der Träger. (Angemerkt)
Anpacken statt motzen: Was die vielen Ehrenamtlichen für Flüchtlinge in Weiden leisten, ist offenbar beispielhaft. Ihr Koordinator darf nun seine Erfahrungen bei einer Veranstaltung im Kanzleramt darstellen. Er sieht in der Einladung eine Auszeichnung für die Helfer. Nur brav Danke sagen will er aber nicht. Im Gegenteil.
Weiden. (fku) Geladen sind unter anderem 217 hauptamtliche Bürgermeister und Landräte. Zur Eröffnung sprechen Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig und Aydan Özoguz, die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung. Auch die Örtlichkeit macht einiges her: Im Bundeskanzleramt steht am Freitag, 18. Dezember, eine Dialogwerkstatt über die Auswirkungen der hohen Flüchtlingszahlen auf kommunaler Ebene an. Es geht darum, wie man mit Verunsicherungen umgehen, rechten Tendenzen entgegenwirken soll. Und wie eine Willkommenskultur vor Ort gelingen kann. Anregungen dazu kommen aus Weiden.
Bei der Veranstaltung namens „Kommunen stärken – rechte Hetze verhindern“ wird auch Manfred Weiß auf dem Podium sitzen. Seit September koordiniert er als Hauptamtlicher der Diakonie die vielen Freiwilligen, die sich in Weiden für Flüchtlinge engagieren. Die Einladung dafür kam von Thomas Heppener, Leiter des Referats „Demokratie und Vielfalt“ im Familienministerium. Die beiden hatten sich im Oktober bei einer Demokratiekonferenz in Weiden kennengelernt, wo Weiß die Arbeit der Ehrenamtlichen vor Ort darstellte. Heppener war offenbar angetan. Wobei Weiß betont, die Einladung sei nicht nur für ihn etwas Besonderes. Sondern auch für die vielen Helfer. „Das ist eine Auszeichnung für uns alle.“
Nichts beschönigen
Im Kanzleramt werden neben dem 58-Jährigen bei einer Gesprächsrunde ein Integrations- und ein Extremismusforscher auf dem Podium sitzen sowie ein Stiftungsmitarbeiter. Weiß vertritt die Praxis der Arbeit vor Ort. Und das sei auch wichtig. „Fragt die Leute, die tagtäglich damit zu tun haben“, lautet sein Appell an diejenigen, die über die Bedingungen für die Flüchtlingshelfer bestimmen. Das wird Weiß ebenfalls den Zuhörern in Berlin sagen. So wie er auch sonst nichts beschönigen wolle, wie er ankündigt. Er wird Fragen beantworten, etwa die, wie das Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe vor Ort organisiert sein muss. Oder die nach mehr Unterstützung. Und gerade bei Letzterem hat er ein paar Vorschläge, wie es besser laufen könnte – auch wenn er Weiden und OB Kurt Seggewiß hier ausdrücklich lobt.
Eine seiner Forderungen ist natürlich die nach Geld. Immerhin übernähmen die Freiwilligen ja Aufgaben des Staates, so sein Argument. Verbunden damit ist die Bitte um Räumlichkeiten – auch daran hapere es oft. Wenn etwa Freiwillige Deutschkurse anbieten wollen, aber keinen Platz dafür bekommen. Ebenso wichtig: Professionalität. Es brauche – auch in Weiden – mehr Hauptamtliche wie ihn, die Struktur in all die Hilfsangebote brächten. Und das dauerhaft. Denn es sei entscheidend, dass eben jene Strukturen auch mittelfristig, für drei bis fünf Jahre, gesichert würden. Damit auch dann, wenn die anfängliche Euphorie vorüber sei, Hilfe gesichert werde.
Einfach kollabiert
Entscheidend sei zudem Hilfe für die Helfer selbst. Auch sie bräuchten Supervision, Schulungen, in denen sie beispielsweise mehr über die Organisation ihrer Arbeit lernen. In denen sie aber auch erfahren, wie sie mit den eigenen Belastungen und denen der Flüchtlinge umgehen. Der 58-Jährige weiß, wovon er spricht: Erst kürzlich, erzählt er, ist ein junger Mann vor seinem Bürofenster zusammengebrochen. Er hatte einen Flashback: Seine Eltern waren im Irak ermordet worden, plötzlich übermannten ihn die Erinnerungen. Auch für den Umgang mit solchen Situationen müssten die Helfer vorbereitet werden, sagt Weiß. „Aber da werden wir oft alleine gelassen.“
Ob er mit solchen Forderungen tatsächlich etwas bewirkt? „Ich hoffe, dass ich zumindest zu Überlegungen anrege.“ Überlegungen, die auch eine Chance brächten. Denn trotz allem: Die Ehrenamtlichen, von denen es in Weiden allein einen harten Kern von rund 120 gibt, seien nicht nur motiviert, sondern einfach auch sehr gut. Und deshalb wolle er jetzt nicht unbedingt die Kanzlerin bemühen. Aber mit ein bisschen Unterstützung für die Freiwilligen, sagtWeiß, „schaffen wir das dann auch schon“.
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Serie über Ehrenamtler (36): Ehrenamtliches Engagement im Frauenhaus Weiden
Wenn das Handy anfängt zu klingen, dann weiß sie, dass es ernst wird. Denn Elfriede Dornheim arbeitet ehrenamtlich im Frauenhaus Weiden mit. Sie übernimmt seit zwölf Jahren regelmäßig die Notrufbereitschaft, um Frauen beizustehen, die ins Frauenhaus flüchten.
Ich bin die Erste von unserem Team, mit der sie in Berührung kommen. Das heißt für mich: gut zuhören und aufmerksam sein.“ Ist der erste Kontakt gelungen, geht es in einem zweiten Schritt darum, sich mit der betroffenen Frau zu treffen und sie in die Obhut des Frauenhauses aufzunehmen. „Meistens wählen wir einen öffentlich gut zu erreichenden Treffpunkt und begleiten die Frau ins Frauenhaus. Falls sie nichts mitbringt, haben wir sogar Zahnbürsten, und Nachthemden für die erste Nacht bei uns.“ Wo das Frauenhaus liegt, bleibt ein Geheimnis, da es ein nicht öffentlicher Zufluchtsort für die Frauen ist. „Habe ich Dienst am Notrufhandy, begleitet es mich auf jedem Schritt durch meinen Alltag, zum Beispiel beim Einkaufen oder bei der Gartenarbeit.“
Zusammen mit 24 weiteren Ehrenamtlichen gewährleistet Elfriede Dornheim die Erreichbarkeit für Frauen in Not, die die Hauptamtlichen mit einer ganzen und einer Dreiviertelstelle nicht leisten können. „Wir sind durch die fünf bis sieben Plätze im Frauenhaus an einen engen Personalschlüssel gebunden“, sagt die Leiterin des Frauenhauses Marianne Kleber-Meierhöfer. „Ohne unsere Ehrenamtlichen könnten wir keine Rufbereitschaft rund um die Uhr anbieten, wie sie der Gesetzgeber vorschreibt, damit wir staatliche Zuschüsse überhaupt bekommen.“
Kommt es zu einer Notaufnahme während der Nacht, steht Elfriede Dornheim oder eine der anderen Ehrenamtlichen bereit. „Wir bleiben, solange die Zuflucht suchende Frau uns braucht – manchmal schließt das ein beruhigendes Gespräch bei einer nächtlichen Tasse Tee mit ein“, erzählt Elfriede Dornheim.
Die Motivation ihres ehrenamtlichen Engagements liegt für sie in ihrer Bereitschaft, gerade Frauen in Notsituationen helfen zu wollen. „Da kam für mich von Anfang an gar nichts anderes in Frage“, sagt die 71-jährige.
Kennengelernt hatte sie die Arbeit mit Frauen in Not über einen monatlichen Gesprächskreis, der in den Räumen des Diakonischen Werkes Weiden stattfand. Den persönlichen Einsatz und den damit verbundenen zeitlichen Aufwand leistet sie ohne Probleme. „Ich wollte gefordert sein, auch nach dem Ende meiner Berufstätigkeit.“
Wichtig ist es für sie außerdem, in das Team des Frauenhauses eingebunden zu sein. Gerade die monatlichen Dienstgespräche mit den Hauptamtlichen geben Elfriede Dornheim Sicherheit. „In den Dienstbesprechungen können wir Erfahrungen austauschen, Verhaltensmöglichkeiten durchsprechen. Das stärkt uns und baut Unsicherheiten ab.“
Regelmäßige Fortbildungen runden das Schulungsprogramm für die Ehrenamtlichen ab. Besonders begrüßt Elfriede Dornheim aber, dass jede neue Ehrenamtliche eine„ Patin“ bekommt. Mit ihr betreut sie die ersten Klientinnen gemeinsam.
In den Sommerferien läuft für das Team alles wie gewohnt weiter. Extras gibt es nicht. Es werden auch nicht mehr Frauen aufgenommen als in den anderen Monaten des Jahres. Die Frauen, die mit Kindern im Frauenhaus sind, werden motiviert, viel mit ihnen zu unternehmen: gemeinsame Ausflüge zum Beispiel, damit die Mutter-Kind-Beziehung gestärkt wird.
Manchmal organisieren die Hauptamtlichen ein Extraprogramm für Kinder. Aber „meistens nehmen die Kinder am Ferienprogramm der Stadt Weiden teil“, ergänzt Marianne Kleber-Meierhöfer.
Die Ehrenamtlichen organisieren einmal im Monat ein Frauenhaus-Frühstück. „Ich erwarte dabei keine große Dankbarkeit“, sagt Elfriede Dornheim, „mir genügt es, wenn die Frauen, die den Sprung in eine neue Lebenssituation gemacht haben, ihren Weg gehen. Das ist für mich die schönste Belohnung. Und ich weiß, dass ich etwas dazu beigetragen habe, dass es ihnen besser geht.“ Deshalb wird sie weiter ein offenes Ohr für Frauen in Not haben.
Andrea Ertl Evangelisches Sonntagsblatt aus Bayern. Nr. 32 vom 5.8.2012 Seite 29