Archive for the ‘Blogroll’ Category

Isabellas Flucht vor häuslicher Gewalt: Neuanfang im Weidener Frauenhaus

Mittwoch, September 4th, 2024

Isabella ist eine von rund 15 000 Frauen, die jedes Jahr vor Gewalt in Frauenhäuser fliehen. Mit nur einem Euro in der Tasche beginnt sie in Weiden ein neues Leben – ohne Gewalt und Manipulation.
von Maria Oberleitner

„Ich hatte nichts mehr – und doch alles.“ So erinnert sich Isabella an den Moment, in dem sie ihr neues Leben begann. Mit einem Euro Bargeld in der Geldbörse, einer Flasche Wasser in der Hand und dem Sohn auf dem Rücksitz des Autos fährt sie los, um einem Mann zu entkommen, der sie zehn Jahre lang tyrannisiert hat. Die Flucht ist nicht geplant, der Vater vermutet beide am Spielplatz. Dabei haben sie nur die Klamotten, die sie tragen, so fahren Mutter und Sohn stundenlang in Richtung Weiden. Denn hier im Frauenhaus, hat man Isabella gesagt, gibt es ein Zimmer für die beiden.

„Weiden in der Oberpfalz“, das hat der jungen Frau damals nichts gesagt. „Ich war so nervös. Und ich hatte keine Ahnung, wo ich hinfahre.“ Das Handy musste ausgeschaltet bleiben, sonst hätte der Mann sie orten können. Von Polizisten lässt sie sich deshalb eine Wegbeschreibung ausdrucken. Sie fährt vorsichtig, ist immer auf der Hut: Weil das Auto auf den Mann angemeldet ist, muss sie aufpassen, dass sie nirgendwo geblitzt wird. Dass sie keinen Unfall, keine Panne hat, keinen Strafzettel bekommt.

„Man kommt nicht ins Gefängnis, weil man jemanden schubst“

Stundenlange Unsicherheit – und doch: Glück. Freiheit. Wo sie herkommt, wie alt Isabella ist und wie sie wirklich heißt sollen zu ihrem Schutz nicht in der Zeitung stehen. Denn obwohl der Mann, vor dem sie geflohen ist, gerade hinter Gittern sitzt, hat Isabella Angst, ihm irgendwann über den Weg zu laufen. „Er wäre der Typ, der nicht zögern würde, eine Waffe zu ziehen“, sagt sie.

Über die Gewalt, die er ihr angetan hat, spricht Isabella kaum. Ihr Sohn sagt, er ist enttäuscht vom Papa. Der Junge, noch keine zehn Jahre alt, kennt keine Details. Doch er weiß, dass der Vater Isabella wehgetan hat: „Man kommt ja nicht ins Gefängnis, weil man jemanden schubst.“

In Weiden finden Isabella und ihr Sohn erste Rückendeckung: Klamotten aus dem Second-Hand-Laden. Wieder mit Bankkarte bezahlen, ohne, dass er davon weiß. Kümmern um Anzeige, um Auskunftssperre und Sorgerecht. Wenn Isabella mit ihrem Sohn heute über das Frauenhaus spricht, nennt sie es „Villa Kunterbunt“. So vieles ist unsicher, stressig, macht Angst – und trotzdem ist da unendliche Erleichterung.

Dieser Frauenhaus-Aufenthalt ist nicht Isabellas erster. Schon nach wenigen Jahren Beziehung, der Sohn noch ein Säugling, floh sie das erste Mal vor ihrem Partner. Isabella erinnert sich an lange Gänge, steril wie in einer Klinik. An eine hohe Hecke mit Stacheldraht obendrauf. An vergitterte Fenster. Wenn man sie fragt, ob sie sich nicht im Gefängnis gefühlt habe, antwortet sie: „Im Gegenteil. Wir waren sicher.“

Mit ihrer Geschichte und der Suche nach Sicherheit ist Isabella nicht allein. Im vergangenen Jahr war sie eine von 33 Frauen, die Zuflucht im Weidener Frauenhaus fanden, im Jahr 2022 haben hochgerechnet auf die rund 400 Frauenhäuser in Deutschland gut 14 400 Frauen und 16 670 Kinder und Jugendliche Schutz in einem Frauenhaus gefunden. Jedes Jahr beschützen Frauenhäuser mehr Kinder als Frauen vor häuslicher Gewalt. „Diese Kinder“, das betont Frauenhaus-Leiterin Enikö Nagy im Gespräch, „sind immer mit betroffen.“ Auch, wenn die Gewalt nicht gegen sie gerichtet ist, wie es auch bei Isabella und ihrem Sohn war: Trotzdem sah der Sohn die Wutausbrüche des Vaters, hörte die Schreie, spürte die Angst und Unsicherheit der Mutter. Und der Vater hatte das Kind fest eingewebt in sein Netz der emotionalen Erpressung und Manipulation.

Inzwischen haben Mutter und Sohn eine eigene Wohnung. Isabella ist wieder selbstbewusst, sicher, offen. Sie brauchte dafür Zeit, erinnert sie sich. Wochen vergingen, bis sie sich nicht mehr auf der Straße suchend umdrehte. „Wenn du abhaust, werde ich dich verfolgen“, die Drohung klang lange nach. Suchende Blicke im Supermarkt, beim Spazierengehen, beim Sport.

Die Eskalationsschleife steigert sich

Wo Isabellas Mann anfangs äußerst aufmerksam ihr gegenüber war, ihr das Gefühl gab, etwas ganz Besonderes zu sein, wurden Komplimente und Zuneigung später seltener, stattdessen etablierte er Kontrolle, Manipulation. „Er hat mich oft niedergemacht, mir jegliches Talent und Können abgesprochen“, erinnert sie sich. Er untersagte ihr, mit Freunden über „Familiendinge“ zu sprechen. Irgendwann, erinnert sie sich, habe sie Kontakte gemieden. Sie war allein. Die Gewalt, psychisch und physisch, nahm währenddessen stetig zu. „Ich lebte in ständiger Angst vor seinem nächsten Ausbruch“, erzählt Isabella.

Nagy spricht von einer „Eskalationsschleife“: „In Missbrauchsbeziehungen gibt es auch gute und schlechte Tage“, erklärt sie. „Aber die Gewalt, die steigert sich, die Abstände zwischen den Ausbrüchen werden kürzer. Und sie fällt nie wieder auf Null zurück.“ Und so spricht Isabella von dem einen Streit, der alles veränderte: Er hatte sie gezwungen, sich in den nächsten zwei Tagen das Leben zu nehmen. Ihr detailliert erklärt, wie genau sie was wann tun sollte. „Mir wurde klar, dass ich so nicht weiterleben kann. Vermutlich hätte es auch meinen Tod bedeutet, bei ihm zu bleiben.“

Isabella verließ mit ihrem Kind das Haus – und schon im Auto wusste sie: Es gibt kein zurück. Ob der Sohn trotzdem mit ihr kommen wolle – oder lieber beim Vater bleiben? Die Antwort berührt Isabella noch heute: „Mama, was für eine Frage. Natürlich bleibe ich bei dir.“ Die Mutter war – und ist – seine Bezugsperson, seine Verbindung zur Welt.

Weiter – ins „Hexenhaus“

So richtig Luft holen können Mutter und Sohn hier in Weiden auch nicht, keine zwei Wochen können sie bleiben, weil Isabella bemerkt: Das beim Partner verbliebene I-Pad empfängt offenbar auch Standortdaten, wenn ihr Handy aus ist. Also weiter. Diesmal mit dem Zug, diesmal mit zwei Koffern und drei Tüten. Zwischen ihrem alten Zuhause und dem Obdach für die kommenden sechs Monate – Isabella und ihr Sohn nennen es liebevoll „Hexenhaus“ – sollten schließlich 900 Kilometer liegen.

Fragt man sie heute, wie die Zeit im „Hexenhaus“ war, sagt Isabella: „Nervenaufreibend. Und anstrengend.“ Laut sei es gewesen, und voll. „Die Zimmer waren zum Teil doppelt belegt, insgesamt waren 20 Kinder auf engstem Raum beisammen. „Die einen mussten Hausaufgaben machen, andere waren laut – und wieder andere wollten gern schlafen“, erinnert sie sich. „Aber“, schiebt sie schnell hinterher, „es ist alles besser als kein Dach über dem Kopf zu haben.“

„Ins Frauenhaus geht nur, wer wirklich keinen anderen Ausweg mehr sieht“, sagt Enikö Nagy. „Und das ist meist erst sehr spät im langen Gewaltverlauf.“ Zwei Drittel der von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen suchen sich gar keine Hilfe. Und trotzdem ist es keine Selbstverständlichkeit, dass Frauen, die vor Gewalt fliehen, einen Schutzplatz finden – in Weiden muss jede dritte Anfrage abgelehnt werden: Platzmangel. Schutzsuchende sehen sich oft gezwungen, beim Gewalttäter zu bleiben: Bundesweit fehlen gemessen an den Empfehlungen des Europarates über 14 000 Frauenhausplätze.

Nach Aufenthalten in drei verschiedenen Häusern in ganz Deutschland lebt Isabella nun ein neues, selbst bestimmtes Leben. „Obwohl mich das Jahrzehnt mit einem narzisstischen Partner und die Erfahrung häuslicher Gewalt tief geprägt haben“, sagt Isabella heute. Mit ihrer Geschichte will sie vor allem eins: anderen Betroffenen Mut machen, den Schritt zu wagen und sich Hilfe zu suchen. „Niemand sollte in Angst leben müssen, und es gibt immer einen Weg hinaus – besonders, wenn man die Verantwortung für ein Kind trägt.“

Quelle: Der neue Tag

Weidener Frauenhaus plant Ausbau und Fachberatungsstelle

Mittwoch, September 4th, 2024

Mit drei zusätzlichen Plätzen will das Frauenhaus Weiden auf mehr häusliche Gewalt reagieren. Erstmals soll eine Beratungsstelle auch Prävention ermöglichen – und mehr Gewaltvermeiden. Was noch fehlt, ist die Zustimmung der Kommunen.
Von Maria Oberleitner

Weiden. Ab dem neuen Jahr soll es im Weidener Frauenhaus acht Plätze für Frauen geben –und damit einen mehr als bislang. Langfristig sollen drei zusätzliche Plätze entstehen. Auch eine Fachberatungsstelle bei häuslicher Gewalt (mit zwei Vollzeitkräften) soll aufgebaut werden, wenn es nach Frauenhausleiterin Enikö Nagy und der Weidener Gleichstellungsbeauftragten Susanne Reinhardt geht. Beraten werden soll persönlich, telefonisch und online.

Das Weidener Frauenhaus bietet aktuell Schutz für sieben Frauen mit sieben bis12 Kindern, pro Jahr finden hier bis zu 90 Frauen und ihre Kinder Obdach. Der achte Platz soll mit baulichen Veränderungen einen der bisherigen Räume als Wohngemeinschaft ausstatten. Langfristig – also für den neunten und zehnten Platz – aber müsse ein neues Gebäude gefunden werden, sagt die Frauenhaus-Leiterin. Denn schon jetzt gibt es hier keine spezialisierten Räume –wie ein Gemeinschaftszimmer, ein Beratungszimmer, ein Spielzimmer oder einen Hausaufgabenraum. „Es besteht insgesamt Bedarf, die fast 30 Jahrealten Strukturen anzupassen“, sagt Nagy.

Bislang keine andere Anlaufstelle
Ohne Beratungsstelle sei das Frauenhaus nicht vollständig, sagt sie. „Momentan ist es so, als hätte unsere Region zur Gesundheitsversorgung nur eine Intensivstation, die aber auch die Notaufnahme und die Rezeption in der Klink betreut.“ Gewaltschutz bestehe aber aus verschiedenen Bausteinen. Eine Fachberatungsstelle bei häuslicher Gewalt soll nun das Frauen-und Kinderschutzhaus entlasten – und Prävention für die Region ermöglichen: Zum Beispiel für Schulen oder Schutzkonzepte für Vereine.
Denn obwohl ambulante Beratungen im Frauenhausbetrieb eigentlich nicht vorgesehen sind, stehen die Weidener Mitarbeiterinnen hier jährlich rund 90 Frauen, die von Gewalt betroffen sind, mit Rat beiseite. „In Weiden sowie den Landkreisen Neustadt und Tirschenreuth gibt es keine andere Anlaufstelle bei häuslicher Gewalt“, sagt Nagy. Sie erzählt, man habe schon vor drei Jahren eine digitale Plattform zur Onlineberatung erstellt – könne sie aber nicht betreiben: Zu wenig Personal. Das soll sich nun ab dem neuen Jahr ändern.

Zum ersten Mal Prävention
Etwa jede Dritte Frau ist von Gewalt betroffen, zwei Drittel der Betroffenen suchen keine Hilfe: Nicht bei der Polizei, nicht im Frauen-haus, sagt Nagy. „Oft fehlt das Ver-trauen in staatliche Institutionen, oder die Angst oder Scham vordem Täterbringen sie zum Schweigen.“ Solch eine Anlaufstelle würde nun „zum ersten Mal Prävention hier in der Region möglich machen“, sagt Nagy. Sie betont: Die Hemmschwelle, bei einer Fachberatungsstelle Hilfe zu suchen, sei niedriger als die, beim Frauenhaus anzurufen. „Gleichzeitig ist alles, was vorab ambulant und durch Prävention vorweggenommen wird, wesentlich günstiger als die Unterbringung im Frauenhaus –dann, wenn die Situation schon eskaliert ist.“ Und, Nagy ergänzt, auch wesentlich günstiger als die Folgekosten von Gewalt für die Gesellschaft. Ganz abgesehen vom Leid, das man einigen Frauen ersparen könnte.
„Unsere Gesellschaft wird nachweislich immer gewaltbereiter“, sagt Nagy. Die Zahlen geben ihr Recht: Während 2022 noch 240547 Menschen von häuslicher Gewalt betroffen waren, sind es 2023 schon 256276 –ein Plus von 6,5 Prozent. Und bereits im Jahr zuvor waren die Zahlen um zehn Prozent in die Höhe geschnellt. Nagy sieht Gewalt als „zentrales Thema“ der kommenden Jahrzehnte.
Ohne eine solche Fachberatungsstelle und den achten bis zehnten Platz –der auch mehr bezahlte Stunden für Arbeit im Gewaltschutz mit sich bringt –sei das Frauenhaus in Weiden dauerhaft überlastet, sagt Nagy.„Wir haben uns zweckdienlich eingerichtet, so gut es ebenmöglich ist“, sagt Nagy. Aber sie spricht auch von Überbelegung in Frauenhäusern.

So wird berechnet
Früher wurde die Anzahl der Frauenhausplätze aus den Frauen, die in der Region leben, errechnet, dann –mit den Maßgaben der Istanbul-Konvention –aus den Menschen, die im Einzugskreis leben. Nach dieser Berechnung wären den drei Nordoberpfälzer Kommunen (mit insgesamt mehr als 200 000 Einwohnern) 52Schutzplätze für Mütter und Kinder (18 für Tirschenreuth, 10,5 für Weiden, 23,5 für Neustadt/WN) ans Herz zu legen.
Finanziert werden Frauenhäuser über einen Sockelbeitrag vom Bund, Lohn-und Sachkosten teilen sich Kommunen und der Träger, der zehn Prozent der Kosten selbst aufbringt. Der achte Platz würde den Landkreisen Tirschenreuth und Neustadt/WN sowie der Stadt Weiden jährlich rund je 4500 Euro kosten – das Gebäude würde weiterhin die Diakonie zur Verfügung stellen. Die Fachberatungsstelle würde bei den drei Kommunen mit je rund 27 500 Euro zu Buche schlagen. Die zuständigeR egierung befürwortet beides: Die Einrichtung der Fachberatung sowie den achten Platz. Nun braucht man noch eine befürwortende Stellungnahme der Kommunen.

Quelle: Der neue Tag

„Wie der Staat Frauen alleinlässt“: Lesung und Gespräch mit Rechtsanwältin Asha Hedayati

Mittwoch, September 4th, 2024

› Was: Die Autorin und Rechtsanwältin Asha Hedayati liest aus ihrem Buch „Die stille Gewalt –Wie der Staat Frauen allein lässt“ und spricht zum Thema Gewalt an Frauen
› Wann: Freitag, 13.September 2024, 17.30Uhr
› Wo: Stadtlabor DENK.max, Stadtmühlweg2in Weiden

Gewalt gegen Frauen ist eines der drängendsten Probleme unserer Zeit, sie hat sich in den letzten Jahren noch einmal deutlich verschärft. Asha Hedayati, Anwältin für Familienrecht, beschreibt in ihrem Buch „Die stille Gewalt“, wie der Staat die betroffenen Frauen alleinlässt, und zeigt auf, was sich ändern muss, damit die zuständigen Institutionen wirklich den Schutz bieten, den sie leisten sollten. Am 13.September ist Hedayati in Weiden, um ihr Buch vorzustellen und über das Thema zu sprechen.
Die Autorin, so steht es im Klappentext ihres Buches, macht immer wieder die Erfahrung, dass die staatlichen Strukturen „Frauen nicht nur unzureichend vor Gewalt schützen, sondern sogar selbst Teil eines gewaltvollen Systems sind“. Partnerschaftsgewalt sei wie ein blinder Fleck bei Familiengerichten, Polizei und Jugendämtern, in Sorge-und Umgangsrechtsverfahren. Dabei sei jede vierte Frau ist einmal in ihrem Leben von Gewalt in ihrer Partnerschaft betroffen; mit großer Sicherheit haben alle im Bekannten- und Freundeskreis sowohl Betroffene als auch Täter.
Hedayati wurde 1984 in Teheran geboren, studierte Rechtswissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin. Als Rechtsanwältin arbeitet sie seit fast zehn Jahren im Bereich des Familienrechts und vertritt dabei schwerpunktmäßig von Gewalt betroffene Frauen in Trennungs-, Scheidungs-, und Gewaltschutzverfahren. Neben der Arbeit als Anwältin, bildet sie laut Angaben ihres Verlags Sozialarbeiterinnen von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen im gesamten Bundesgebiet aus und ist Gastdozentin für Familienrecht und Kinder-und Jugendhilferecht an der Alice-Salomon-Hochschule und der Paritätischen Akademie für Studierende des Studiengangs Soziale Arbeit.
Veranstalter der Lesung in Weiden ist das Netzwerkgegen Gewalt Nordoberpfalz in Kooperation mit Amnesty International/Oberpfälzer Bündnis für Toleranz und Menschenrechte Weiden/Politische Frauen Weiden –SPD, Grüne, Liberale Frauen, Frauenunion/VHS–Volkshochschule Weiden/Weiden ist Bunt e.V. (üd)

Quelle: Der neue Tag

Zu wenig Platz: Oberpfälzer Frauenhäuser auf Kante genäht

Mittwoch, September 4th, 2024

Bundesweit fehlen tausende sichere Plätze für Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind –gleichzeitig steht die Finanzierung von Gewaltschutz auf wackeligen Beinen. Ein Blick auf die Situation der Frauenhäuser in Weiden und Amberg.
Von Maria Oberleitner

Amberg/Weiden. Das Telefon im Weidener Frauenhaus steht nicht mehr still. Am Morgen sind zwei freie Zimmer gemeldet worden
– eine echte Seltenheit. Am anderen Ende der Leitung: eine Frau, die eine Betroffene von häuslicher Gewalt auf der Straße aufgelesen hat
– diese war wohl erst in einem Keller eingesperrt, später hat man sie auf die Straße gesetzt. Ihr Schicksal wird, zusammen mit dem vieler anderer Frauen, am Ende des Jahres als Nummer in den Statistiken der Frauenhäuser zu finden sein: wenn sie Glück hat, als Bewohnerin.

Wenn die Frauen weniger Glück haben, landen sie als Absage in den Statistiken. Denn normalerweise gibt es hier im Weidener Frauenhaus keine freien Zimmer, sagt Frauenhaus-Leiterin Enikö Nagy. Das kennt man auch in Amberg: Hier lag die Auslastung im Jahr 2023 bei 94,6 Prozent. Im Juli, erinnert sich Nagy, gab es sogar eine Zeit lang bayernweit keinen einzigen freien Platz. Wenn in Weiden doch mal etwas frei ist, dauert es nicht selten nur wenige Stunden, bis der Platz vergeben ist. Für jede Frau, die hier Zuflucht vor häuslicher Gewalt findet, muss das Team rund um Nagy drei andere Frauen weiterschicken. Und sie ergänzt: An emotionalen Feiertagen wie Weihnachten oder in den Ferien ist der Bedarf oft noch viel höher.

Rüge von Grevio-Expertengruppe
Dass es deutschlandweit nicht genügend sichere Plätze für Frauen gibt, die vor Gewalt fliehen müssen, steht spätestens seit 2022 fest, als das Land von der Grevio-Expertengruppe des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, gerügt wurde
– unter anderem wegen fehlender Zufluchtsplätze. Wieder klingelt das Telefon. Diesmal geht es um zwei Frauen, die in anderen Frauenhäusern von ihren Männern entdeckt wurden und weiterziehen müssen. Nur wenig später sind Mitarbeiter aus Bezirkskrankenhäusern in der Leitung, die Obdach suchen für Frauen, die wegen häuslicher Gewalt in psychische Krisen geraten waren.

Fehlende Ressourcen
Berücksichtigt man die Istanbul-Konvention, einen bindenden völkerrechtlichen Vertrag zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, den Deutschland 2018 ratifiziert hat, so würden 21 000 Schutzplätze benötigt. Laut der aktuellen Frauenhaus-Statistik aus dem Jahr 2022, die Daten von 179Frauenhäusern ausgewertet hat, gab es damals aber lediglich Platz für 6431Frauen und ihre Kinder. Hochgerechnet auf die rund 400 Frauenhäuser in Deutschland ist laut dem Verein Frauenhaus – Koordinierung davon auszugehen, dass 2022 rund 14 400 Frauen– und zusätzlich ihre Kinder – Schutz fanden.
Hätte sie ein paar Wünsche frei, sagt Andrea Graf, Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF), doppelt so viele Plätze und eine sichere Finanzierung stünden weit oben auf der Liste. Der Sozialdienst ist Träger des Amberger Frauenhauses. Graf berichtet von immer komplexer werdenden Fällen, für deren Betreuung man eigentlich mehr Zeit bräuchte. Eine Psychologin oder eine Kinderthera-peutin wären eine echte Bereicherung, sagt sie. Und schiebt schnell hinterher: „Ich weiß aber auch, dass das utopische Wünsche sind.“ Es fehlt aber nicht nur im Frauenhaus selbst an Ressourcen, sondern auch außerhalb: das gilt für Kindergartenplätze, bezahlbare Wohnungen, Therapieplätze
–die Frauenhäuser spüren das – denn sie müssen oft auffangen, was an struktureller Versorgung fehlt.

Flickenteppich-Finanzierung
Graf sagt aber auch: „Viel wichtiger wäre es aber, das, was schon vorhanden ist, richtig zu finanzieren – und an die Realität anzupassen.“ Sonst seien die sicheren Plätze schnellgefährdet. Finanziert werden Frauenhäuser über einen Sockelbeitrag vom Bund, Lohn-und Sachkosten teilen sich Kommunen und der Träger. Für den Träger bedeutet das: Zehn Prozent der Kosten bleiben an ihm hängen, finanziert werden diese meistens über Spenden. Oft decken die zehn Prozent Eigenanteil die Kosten aber nicht ab, erzählt Graf. „Die staatliche Förderung ist gedeckelt. Die Gehälter steigen aber trotzdem.“ Graf nennt hier als Problem, was auch bereits vom Europa-Expertenrat bemängelt wurde: Bislang gibt es statt einem einheitlichen Rechtsrahmen zur Finanzierung der Frauenhäuser einen Flickenteppich. Denn aktuell ist diese Finanzierung eine Sache der Länder und Kommunen –und eben nicht einheitlich geregelt.

Die Weidener Frauenhaus-Leiterin Enikö Nagy hofft auf das von der Regierung angekündigte Gewalthilfe-Gesetz. Denn im Koalitionsvertrag der Ampel steht, dass der Bund Einheitlichkeit schaffen und in die Finanzierung einsteigen will. Noch einmal klingelt das Telefon an diesem Vormittag im Weidener Frauenhaus. Diesmal versucht ein Kriminalpolizist aus einer Nürnberger Notaufnahmestelle sein Glück. Er sucht ein Zimmer für eine Frau, die mehrfach misshandelt und gewürgt wurde –mit ihren drei Kindern nun kurzfristig bei Verwandten untergekommen ist, aber dort nicht lang bleiben kann. „Gewaltschutz kostet zwar Geld“, sagt Nagy, „rettet aber Leben.“

Quelle: Der neue Tag

Die weibliche Seite der Sucht im Fokus

Dienstag, Juni 25th, 2024

Warum greifen Frauen zu Suchtmitteln? Wie sehen Behandlungskonzepte speziell für suchtkranke Frauen aus? Diese Fragen sind unter anderem Thema beim Selbsthilfefachtag in Weiden.

von Mareike Schwab

Unabhängig von Alter, Geschlecht und der aktuellen Lebenssituation: „Sucht kann jede(n) treffen“. Unter diesem Motto steht der Selbsthilfefachtag „Sucht und Gesundheit“ in Weiden. In diesem Jahr steht die geschlechts- und altersspezifische Suchtthematiken im Fokus. Ein Drittel der Suchtkranken in stationärer Behandlung sind Frauen, sagt Sandra Schmid, Leiterin der Abteilung für frauenspezifische Therapie in der Johannesbad Fachklinik in Furth im Wald. Die Psychologin möchte ihren Vortrag beim Suchtfachtag deshalb nutzen, um mit Vorurteilen gegenüber suchtkranken Frauen aufzuräumen.

Frauen konsumieren heimlich und wirkungsbezogen, erklärt Schmid. Das heißt, sie nutzen beispielsweise die stimulierende Wirkung von Alkohol, um mehr leisten zu können und der Mehrfachbelastung standzuhalten. Männer hingegen konsumieren häufig im Sozialverband. Der Ursprung der männlichen Sucht liegt also meist woanders. Deshalb seien geschlechterspezifische Angebote, also Angebote speziell auf Frauen oder Männer zugeschnitten, auch so wichtig, sagt Schmid.

Neben stationären Behandlungen spielen vor allem Selbsthilfegruppen bei der Rehabilitation eine große Rolle. 20 Prozent der Suchtkranken schafften es laut Schmid ausschließlich durch den Besuch einer Selbsthilfegruppe abstinent zu werden. Bei der Bewältigung des Alltags mit der Sucht oder der Problematik kann eine ebenfalls betroffene Person sehr gut vermitteln, sagt Irena Težak, Geschäftsführerin der Selbsthilfekoordination Bayern. Der Austausch in einer Gruppe mit anderen, die dasselbe Problem haben, ist etwas völlig anderes als eine medizinische oder therapeutische Behandlung. „Selbsthilfe versteht sich als Ergänzung zum Profisystem“, sagt Težak.

Doch wo gibt es Selbsthilfegruppen und Selbsthilfekontaktstellen in der Oberpfalz? Auch darüber soll der Fachtag der Selbsthilfekoordination Bayern am Freitag, 14. Juni, in der Max-Reger-Halle informieren. Teilnehmen darf jeder: Egal ob Betroffene, Angehörige, interessierte Bürger oder Mitarbeiter im Sucht- und Gesundheitsbereich. Ziel des Suchtfachtags ist es, Selbsthilfe, also das Erfahrungswissen von Betroffenen und die Profiseite, also Mitarbeiter von Beratungsstellen oder Fachkliniken, auf Augenhöhe miteinander in Kontakt zu bringen, sagt Irena Težak.

Integration klappt vor allem über die Sprache: Neuer Sprachclub und Verein in Weiden am Start

Mittwoch, Juni 5th, 2024

Integrationslotsin Stefanie Wildenrother hat ein Ziel: Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund sollen noch schneller Fuß fassen. Unterstützen könnten weitere Angebote wie ein neuer Sprachclub und der neue Ukraine-Verein. von Stephanie Hladik

Seit 2017 treffen sich im Sprachcafé der evangelischen Kirchengemeinde St. Michael, dem „Café Farbenfroh“, jede Woche Migranten und einheimische Bürger jeden Alters zu einem Kennenlernen, zu Gesprächen oder einem fröhlichen Miteinander bei einer Tasse Kaffee. Das Angebot ist beliebt und wurde 2023 mit dem Integrationspreis der Regierung der Oberpfalz ausgezeichnet. Menschen aus bis zu zwölf verschiedenen Nationen finden hier eine Gemeinschaft und schließen neue Freundschaften. Nebenbei erlernen sie die deutsche Sprache. Wichtig, um sich möglichst schnell vor Ort zu integrieren.

Das weiß Stefanie Wildenrother vom Diakonischen Werk Weiden nur zu gut. Seit zwei Jahren ist die Integrationslotsin Ansprechpartnerin für Neubürger und ehrenamtliche Helfer. „Natürlich unterstütze ich auch bei Behördengängen, aber vor allem bin ich dafür da, das Netzwerk weiter ausbauen“, sagt Wildenrother. „Hilfe zur Selbsthilfe“ fällt im Gespräch mit Oberpfalz-Medien immer wieder.

Sprachclub in Kreuz Christi
„Das Café Farbenfroh läuft super, aber mittlerweile ist es schon sehr voll. Aus der Gruppe heraus kam der Wunsch, die Sprachübungen zu vertiefen, eventuell in einem anderen Rahmen“, sagt Wildenrother. Die Idee zu einem Sprachclub reifte. Mit angeschoben hätten die zahlreichen ukrainischen Neubürger, freut sich die Integrationslotsin. „Die sind total umtriebig und erstaunlich gut vernetzt, unter anderem durch eine eigene WhatsApp-Gruppe. Das hat auch den Austausch mit Einheimischen forciert.“ Beim Probetermin für den neuen Sprachclub kamen über 50 Interessierte.

Jetzt will das multikulturelle Projekt richtig durchstarten. Am Mittwoch, 5. Juni, von 15 bis 17 Uhr trifft sich der Sprachclub wieder – immer im Gemeindezentrum Kreuz Christi am Stockerhutweg 37. Die Leitung hat die Ukrainerin Olena Riabinina übernommen. Ihr Mini-Job werde über die Lagfa Bayern, die Landesarbeitsgemeinschaft für gemeinschaftliches Engagement, gefördert. Als Bindeglied zur evangelischen Gemeinde fungiert Elisabeth Heider.

„Die Inhalte organisieren die Teilnehmer weitgehend selbst“, sagt Stefanie Wildenrother und gibt ein Beispiel. „Ob Syrer, Iraner oder Ukrainer, die Migranten wollen vor allem Ausdrücke des täglichen Sprachgebrauchs üben. Was sage ich zum Beispiel, wenn mir das Essen schmeckt? oder Wie erkläre ich, wenn etwas sauer ist? Besonders heiß sind sie aufs Bayerische“, sagt sie schmunzelnd. Und auch, wenn das „Griaß God“ oder „Hawadere“ holprig über die Lippen komme, helfe es ungemein, mit Einheimischen leichter in Kontakt zu kommen.

In das Konzept passt auch der neue Verein, die Ukrainische Gemeinde Weiden, der erst seit wenigen Tagen offiziell besteht. Nach Auskunft der Pressestelle der Stadt leben aktuell 801 Ukrainer in Weiden. Vereinsvorsitzende ist Iuliia Kumanska, ihre Stellvertreterin Oksana Lobodynska. Kumanska lebt seit 2020 mit ihrer Familie in Weiden, ist seit Dezember 2023 Mitglied im Integrationsbeirat der Stadt. Die studierte Philologin arbeitet als Pädagogische Fachkraft der Volkshochschule Weiden-Neustadt/WN. Ihr liegen besonders die Kinder und Jugendlichen am Herzen, wie sie sagt. „Für sie gibt es noch zu wenig Angebote. Oft bleiben sie nach der Schule unter ihresgleichen, in ihrer eigenen Blase. Der Verein kann hier vielleicht helfen, Dinge anzustoßen.“ So träumt Kumanska zum Beispiel von einem gemeinsamen Theaterprojekt. „International soll es sein“, sagt sie. Denn: Der neue Verein wolle für alle Nationalitäten da sein. „Er ist auf Kooperation ausgelegt“, ergänzt die Integrationslotsin, die das neue Angebot, ebenso wie ihr Chef Diakon Karl Rühl, sehr begrüßt.

Ukrainische Gemeinde Weiden
Langfristig sollen auch Beratungsangebote speziell für Frauen geschaffen werden. Damit wolle man auch die Frauen in der Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge im „Camp Pitman“ erreichen, die es besonders schwer hätten. „Auch eine ukrainische Samstagsschule für Kinder könnten wir uns vorstellen“, sagt Iuliia Kumanska. Eine solche gebe es bislang noch nirgends. Gut angelaufen sei bereits der Kontakt zur deutschen Pfadfindergemeinde (Stamm Thomas Morus) in Weiden, freut sich die Ukrainerin. „Unsere eigene Pfadfindergruppe (Plast) zählt schon 40 Kinder und Jugendliche.“

Integrationslotsin Wildenrother sieht die Projekte und den neuen Ukraine-Verein als ein Gesamtkonzept, das ineinander greift. „Die verschiedensten Nationen sollen sich austauschen, gegenseitig helfen und auch Neues anstoßen. Eben Hilfe zur Selbsthilfe. Nur so kann langfristig das Netzwerk auch wachsen.“ Doch sie weiß auch, dass es noch viel zu tun gibt. Die Angebote sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach wie vor Deutschlehrer fehlen und es nicht genügend Integrationskurse gibt. Zudem könnten viele Mütter, die keine Kinderbetreuung haben, Treffen nicht wahrnehmen, weist Wildenrother auf ein generelles Problem in der Migrationspolitik hin.

Spaß haben und Sprache lernen

  • Sprachencafé „Café Farbenfroh“: 2017 von der Evangelischen Erwachsenenbildung und dem Diakonischen Werk initiiert. Findet wöchentlich mittwochs von 15 bis 17 Uhr im Betsaal der evangelischen Kirchengemeinde St. Michael, Pfarrplatz 6, statt.
  • Sprachclub: Neu seit 2024; jeden Mittwoch 15 bis 17 Uhr im Gemeindezentrum Kreuz Christi
  • Integrationslotsin der Diakonie Stefan Wildenrother: Büro in der Passage im Alten Rathaus, Weiden; Telefon: 0157/51197736

Mobil mit Rad

Donnerstag, Mai 23rd, 2024

Das ambulant unterstützte Wohnen hat im Rahmen des von Aktion Mensch „Das WIR gewinnt“ geförderten Projekts „Mobil mit Rad“ vier E-Bikes angeschafft, welche an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Klienten angepasst sind.

Die Rikscha ist perfekt für zwei Menschen mit Einschränkungen, sie wird von einem Mitarbeiter gelenkt. Die zwei Dreiräder, können durch einen großen Korb am Gepäckträger, gut zur Beförderung der Einkäufe genutzt werden. Das Tandem Dreirad bietet Menschen mit Behinderung, die Möglichkeit gemeinsam mit einer Begleitperson sicher am Straßenverkehr teilzunehmen.

Seit 2018 sind wir als Diakonie Leistungserbringer für die Bezirke im Rahmen des ambulant unterstützten Wohnens. Unser Ziel ist es die Teilhabe und somit die Mobilität mit Dreirädern für Menschen mit geistiger und seelischer Behinderung und/oder Suchtmittelabhängigkeit zu fördern. Wir begleiten Menschen in Wohngemeinschaften, als auch Menschen, in ihren eigenen Wohnungen. Mit den Fahrrädern soll die Autonomie, als auch die Bewegung, die zur körperlichen und geistigen Gesundheit beiträgt, gefördert werden. Die Verbesserung der selbstbestimmten Teilnahme an gesellschaftlichen Aktivitäten und Veranstaltungen, sowie die sozialräumliche Vernetzung, wird dadurch unterstützt. Außerdem werden durch Schulungen und Trainings die Fahrkompetenzen und Verkehrssicherheit für die Klienten vertieft.

Wolfgang Reuther als Leiter des Eleonore-Sindersberger-Heim verabschiedet

Freitag, Januar 12th, 2024

Die Weihnachtsfeier im Eleonore-Sindersberger-Heim in Weiden hatte für den festlichen Rahmen gesorgt, um den Einrichtungsleiter, Diakon Wolfgang Reuther, nach zehn Dienstjahren in den Ruhestand zu verabschieden. Dies geht aus einer Mitteilung hervor. Der Geschäftsführer der Diakonie, Diakon Karl Rühl, bedankte sich für das Wirken von Reuther in einer herausfordernden Zeit. Vor allem der Umbau des Heims verlangte Einsatzkraft und Durchhaltevermögen, zumal Reuther auch noch die Leitung des St. Michael Zentrums innehatte. Da war es ein Glücksfall, dass der engagierte Pflegedienstleiter Konrad Nickl an seiner Seite war. Dieser hat nun offiziell seit dem 1. Januar die Leitung der Einrichtung mit gewohnter Energie und Weitsicht übernommen. Sein langjähriger Kollege und Mitarbeiter im Heim, Martin Skutella, wird ihn als neuer Pflegdienstleiter tatkräftig unterstützen, heißt es weiter.

Quelle: Der neue Tag Wolfgang Reuther als Leiter des Eleonore-Sindersberger-Heim verabschiedet | Onetz

Diakonie Weiden gibt neues Wohnprojekt für Menschen mit Behinderung zum Bezug frei

Freitag, April 8th, 2022

Pressemitteilung der Diakonie Weiden

Die Diakonie Weiden hat in den letzten Monaten eine 140m² Wohnung mit der finanziellen Unterstützung der Glücksspirale so umgebaut, dass dort eine selbständige Wohngemeinschaft für Menschen mit Behinderung entstanden ist.
Maximal 4 Mieter*innen können die geräumige Wohnung nun mieten und dort eigenverantwortlich für alle Bereiche, wie jeder andere Mieter, wohnen und leben.
Gut 60 000,- € wurden zusätzlich in die Wohngemeinschaft  investiert. Dank der Glücksspirale, mit einer Förderung von knapp 50 000,- €, kann der bisherige Mietzins beibehalten werden.
Bezirkstags Vizepräsident Lothar Höher zeigt sich mit den Einrichtungsleitern Diakon Wolfgang Reuther und Sonja Rummler vom St. Michael-Zentrum über das Ergebnis der Umbauten beeindruckt. Konzeptionell ist das der richtige Weg, nämlich geeignete behindertengerechte und bei Bedarf begleitete Wohnformen zu schaffen. Der Grundsatz: Wo nur möglich, ambulant vor stationär, findet mit allen seinen neuen Herausforderungen eine Antwort.
Die neue Wohnform wird begleitet von der Fachstelle Ambulant Betreutes Wohnen der Diakonie Weiden. Vorstand Diakon Karl Rühl bedankte sich namentlich bei Frau Dick, Diakon Reuther, den Hausmeistern und der Verwaltung, die im Entstehungsprozess dazu beigetragen haben, dass nun diese selbstständige Wohngemeinschaft für Menschen mit Behinderung entstanden ist.

von links nach rechts:
Bezirkstags Vizepräsident Lothar Höher, Pflegedienstleitung/stellv. Heimleitung Sonja Rummler, Heimleitung Diakon Wolfgang Reuther

Für viele Frauen, die zuhause unter Gewalt leiden, ist das Frauenhaus die letzte Lösung. Bewohnerinnen, Mitarbeiterinnen und Ehrenamtliche erzählen von Angst, Wut, Schlägen und Beleidigungen – aber auch vom Beginn eines Lebens ohne Gewalt.

Samstag, August 22nd, 2020
Grafik: Maria Oberleitner/Christian Gold

„Auf einmal standen Morddrohungen im Raum, es war wie im Actionfilm.“

Monatelang, jahrelang wurde Anna von ihrem Freund bedroht, beleidigt, geschlagen. Ihre Rettung fand sie im Weidener Frauenhaus. Annas Geschichte ist kein Einzelfall. Sie erinnert sich.

Von Maria Oberleitner

Weiden. Die gepackte Reisetasche stand einen Monat lang im Schrank von Annas Freundin. Darin die nötigsten Klamotten für sich und die Kinder, wichtige Papiere und Unterlagen – und ihr Schmuck. „Eigenes Geld hatte ich ja keines“, gesteht Anna. Sie griff sich im gemeinsamen Haus noch die Schulranzen der Kinder – und ging. Anna hat ein neues Leben angefangen – in Weiden.

Was sich liest wie der Bericht einer Auswanderin, ist eine Geschichte häuslicher Gewalt. Anna, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hat acht Monate lang mit ihren drei Kindern im Weidener Frauenhaus gelebt. Inzwischen hat sie eine eigene Wohnung – ein eigenes Leben. Die junge Frau erzählt von stressigen Arbeitstagen im gemeinsamen
Familienbetrieb und vom Frust, den ihr Partner schließlich an ihr ausgelas-sen hat. Schläge, Beleidigungen, Affären. Sie hatte große Angst. „Auf einmal standen Morddrohungen im Raum, es war wie im Actionfilm. Rückblickend kann ich sagen, dass das alles wie eine Luftblase war. Es war nichts dahin-ter.“ Ein wenig verlegen schiebt sie sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Inzwischen hat Anna wieder Kontakt zu ihrem damaligen Partner. „Damals
war ich abhängig von ihm. Er hatte das Geld, er hatte das Auto, er hatte die Macht. Wenn wir uns heute treffen und mir etwas nicht passt, steige ich in mein eigenes Auto und fahre.“ Sie wirkt selbstbewusst und souverän.

Wie im Paradies
Der Tag, an dem sie sich entschied, ins Frauenhaus zu gehen, habe ganz
gut angefangen, sagt Anna. Aber dann kam es zu einem großen Streit, der Mann wurde handgreiflich. Sie war vorbereitet, hatte die Entscheidung, einen endgültigen Schnitt zu machen monatelang mit sich herumgetragen. Sie hatte auf den einen Moment gewartet – nun war er gekommen. Zeit, die gebunkerte Reisetasche abzuholen. In dem Frauenhaus in ihrer Heimat-stadt aber fühlte sie sich „wie im Gefängnis“– wegen der räumlichen Nähe zum Täter. „Schon am dritten Tag wusste ich, ich kann hier nicht bleiben.“ Also kam sie nach Weiden. „Ich hatte sämtliche Handykarten zerschnitten, alle Social-Media-Kanäle blockiert. Nur für meine Eltern war ich noch erreichbar.“ Ein großer Schnitt, ein schwieriger Schritt. „Und dann war ich in Weiden: Mir erschien das Frauenhaus wie ein Paradies. Auch, weil ich gemerkt habe, dass ich nicht die Einzige bin, der so etwas passiert ist.“ Das Paradies: Drei Stockwerke mit Zimmern, Gemeinschaftsküchen und Gemeinschaftstoiletten. Platz für sieben Frauen mit ihren Kindern. Jede Frau kann so lange bleiben, wie sie braucht. Um eine Wohnung, einen Job, Kindergarten oder Hortplätze zu bekommen. Jede ist hier für ihren eigenen kleinen Haushalt zuständig. Stockbetten, Schrank, Tisch. Wohnen wie im Schullandheim. In den Regalen stehen Ordner neben Gesellschaftsspielen und Kuscheltieren. Alles wirkt fröhlich und bunt. Die Wände, die Bettwä-sche, die Bilder. Hier ist ein Vögelchen an die Wand gezeichnet, dort ein Kätzchen. Auf dem Balkontisch liegt das „Dschungelbuch“ und die „Geschichte von der Ponyfee“. Daneben stehen etliche Wäscheständer. Am
Fensterbrett liegen bemalte Steine, blickt man nach unten, sieht man im Garten Rutsche und Schaukel. Das Gartentor ist geschlossen. Ohne einen Schlüssel kommt niemand hier weder rein noch raus. Auch die Mauer ist hoch, die Fenster im ersten Stock mit Milchglasfolie verklebt. Das bietet ein Stück Anonymität und Sicherheit. Denn deshalb sind die Frauen hier: Sie suchen Schutz. Einfach, unkompliziert, anonym.

Neues Zuhause: Weiden
Das Weidener Frauenhaus ist zuständig für die Kreise Tirschenreuth und Neustadt sowie die Stadt Weiden. Die sieben Plätze, die es gibt, errechnen sich aus der Bevölkerungszahl. Trotzdem suchen nicht nur Oberpfälzerin-nen hier Schutz, meist sind Frauen aus ganz Deutschland da. Zum Beispiel Dalal. Die 39-Jährige kam mit ihren vier Kindern aus einer sächsischen Stadt nach Weiden. Sie floh regelrecht – vor ihrem Ex-Mann. Der hatte sie und ihre älteste Tochter geschlagen, angeschrien, gedemütigt, bedroht – immer und immer wieder. Und die Nachbarin rief immer wieder die
Polizei. Die Beamten nahmen Dalals damaligen Lebensgefährten beim x-ten Mal mit auf die Wache – und sie ging. Erst in ein Frauenhaus in ihrer Stadt. Weil sie dort aber vor ihm nicht sicher war, kam sie nach Weiden. „Es ist gar nicht so selten, dass Frauen dann in Weiden bleiben und die Stadt ihr neues Zuhause wird“, sagt Frauenhaus-Leiterin Enikö Nagy. Oder „Frau Enikö“, wie Dalal sie nennt. Die 39-jährige Dalal erzählt, ihre Kinder haben
nun neue Freunde in Weiden gefunden. Wenn sie von ihrem neuen Leben spricht, strahlt sie. Sie ist erleichtert – und dankbar. Dankbar, jetzt endlich sicher zu sein. Dankbar, unterstützt zu werden. Bei Behördengängen, bei Wohnungsbesichtigungen. „Es ist toll hier“, sagt sie. Sie wohnt mit ihren vier Kindern in einem 20-Quadratmeter- Zimmer. Luxus sieht anders aus.
Aber es geht nicht um Luxus. Es geht um Leben, um Sicherheit, um Freiheit, um Selbstbestimmtheit.

„Wer zu uns kommt, hat den schwersten Schritt schon hinter sich“, sagt Tina Braun. Die Kinder und Jugendbeauftragte arbeitet schon so lange für das Frauenhaus, dass sie es noch als Baustelle kennt. Vor 25 Jahren kümmerte sie sich auch um die Erstausstattung. „Irgendwie ist es auch mein Haus“, sagt die 57-Jährige. Sie spricht von der großen Scham, die viele Frauen erst überwinden müssen, bevor sie den Mut haben, sich in ein Frauenhaus zu flüchten. „Es ist ein Phänomen, dass sich die Opfer häuslicher Gewalt schuldig fühlen, als hätten sie persönlich versagt.“ Aber der Einzug sei für viele auch ein sozialer Abstieg in Gedanken, ergänzt
Nagy: Zuhause verloren, Ehe zerbrochen, Hartz-IV-Antrag. Sieben Jahre
halte es eine Frau im Schnitt in einer gewälttätigen Beziehung aus. „Ins Frauenhaus geht man ja wirklich nur, wenn man keine andere Lösung mehr sieht.“

Gewalt ist nicht gleich Gewalt
Dabei ist jede vierte Frau zwischen 16 und 82 in Deutschland mindestens
einmal in ihrem Leben von häuslicher Gewalt betroffen. Gewalt, die im Geheimen geschieht. Gewalt, die von der Gesellschaft gedeckt wird. Männer und Frauen jeden Alters und jeder sozialen Schicht sind davon betroffen. Und Gewalt ist nicht gleich Gewalt. „Eigentlich ist er doch ein guter Mann,
er schlägt mich ja gar nicht.“ Diesen Satz hören Enikö Nagy und ihre drei Kolleginnen öfter, als ihnen lieb ist. Häusliche Gewalt, erklärt Nagy, ist nicht nur physische Gewalt – auch vor sozialer, wirtschaftlicher oder psychischer Gewalt suchen Frauen Schutz. „Manchmal erzählen uns Betroffene ihre Geschichte und sind sich überhaupt nicht sicher, ob sie bei uns richtig sind.“ Man hört Nagy an, dass sie es eigentlich selbst kaum glauben kann. Anna hat die psychische Gewalt schlimmer verletzt als die Schläge. Sie erinnert sich: „Hier und da ein blauer Fleck, der geht ja wieder weg. Aber die ständigen Beleidigungen … irgendwann habe ich mich schon gefragt, ob es vielleicht stimmt, was er sagt.“ Auch deshalb, fordert Nagy, bräuchten die Frauenhäuser mehr Geld für psychologische Betreuung der Opfer. Die Täter
seien oft besser betreut als die Opfer. „Da muss man sich nur die Program-me der JVA ansehen.“ Gesprächskreise, Anti-Aggressions-Trainings, Selbst-reflektionsübungen. Für die Gewaltopfer ist nichts davon vorgesehen.

Politik statt Mitleid
Für das Frauenhaus fordert Nagy auch einen „vernünftigen Personal-schlüssel“. Konkret: Eine Vollzeit- Stelle mehr für Weiden. Ihre Vision:
Vernetzte, familienorientierte Zusammenarbeit zwischen Frauenhaus,
Täterberatung und Familienrichtern nach dem Vorbild des Münchener Modells. Denn gerade sei der Gesamtzustand unhaltbar. „Die Frauen, die zu uns kommen, sind keine Einzelfälle. Und wenn man einen Blick auf die Kosten häuslicher Gewalt wirft, ein zweifelhafter Luxus, den sich die Gesellschaft leistet.“ Gerade flächendeckende Prävention sei wichtig – auf
allen sozialen Ebenen. Denn: „Ein Aufenthalt im Frauenhaus schützt nicht vor Gewalt“, sagt Tina Braun. „Zu uns kommt teilweise schon die zweite Generation. Die Töchter ehemaliger Bewohnerinnen als Opfer, ihre Söhne als Täter.“

Manche Geschichten ließen sie nicht los, sagt Braun. „Ich habe schon ein dickes Fell – aber einiges geht wirklich unter die Haut. “Wenn sie und ihre Kolleginnen über ihre Arbeit reden, fragt man sich schnell, wieso sie nicht längst vor Wut rasen. Sie heilen Wunden, die erst gar nicht entstehen müssten. Wenn sich die politischen Rahmenbedingungen ändern würden. „Wir leben in einer Männerwelt, bei der wir nur mitmachen dürfen.“ Da müsse man sich nicht wundern, so Nagy, dass man nicht nur eine Schraube nachstellen müsse, um die Situation nachhaltig zu verändern

„Frauenhäuser gibt es nun seit gut 30 Jahren“, sagt Nagy. „Aber auch die Männerwelt muss sich mit entwickeln. Frauen brauchen kein Mitleid, sondern Mitgefühl und gesellschaftliche wie politische Veränderung.“
Deshalb sieht sie Täterarbeit und Prävention als Notwendigkeit. Geld für mehr Personal ist aber Mangelware. Deutschlandweit fehlen mehr als 14 600 Schutzplätze für Frauen. „In diesem Jahr mussten wir in Weiden bisher 26 Frauen absagen oder sie an andere Häuser weitervermitteln, weil wir einfach keinen Platz hatten. Und gerade in der vergangenen Woche haben in unserem Haus 16 Kinder gewohnt – das ist mehr als so manche Kinder-gartengruppe – und das ja nur zusätzlich zu den Frauen.“ Tatsächlich wenden sich eher Frauen mittleren Alters mit Kindern an die Sozialpäda-goginnen. Das könnte daran liegen, dass junge Frauen ohne Kinder eher Zuflucht bei einer Freundin finden können. Enikö Nagy mutmaßt aber
auch: „Der Ruf von Frauenhäusern auf dem Land ist möglicherweise eher altbacken. Eine hippe Beratungsstelle in Berlin zieht wohl mehr junge Frauen an.“ Braun spricht auch von einem Stadt-Land- Unterschied: „Grundsätzlich kommen mehr Frauen aus Städten zu uns.“ Das liege auch am sozialen Druck auf dem Land. Verschwinde hier eine Frau mit ihren Kindern über Nacht, falle das eher auf als in einer anonymen Miets-wohnung in der Stadt.

Corona: Keine Zeit, um zu gehen
Mit Corona-Maßnahmen und Ausgangsbeschränkungen habe sich
zwar die Zahl der Polizeieinsätze wegen häuslicher Gewalt in China
und Frankreich verdreifacht – doch der erwartete Ansturm auf das
Frauenhaus in Weiden blieb aus, so Nagy. „Die Zeit der Ausgangsbe-schränkungen war keine Zeit, in der man seinen Partner verlassen hat. Viele Frauen wussten auch gar nicht, dass die Beratungsstellen noch geöffnet sind.“ Es habe sogar zwei, drei Fälle gegeben, in denen das Virus eine Aufnahme ins Haus verhindert habe.„Weil sie das Risiko einer Quarantäne im Haus als zu hoch empfand, hat sich eine Frau gegen eine Aufnahme entschieden und kamprivat unter“, erinnert sich Nagy. Sie hätte dann keinen persönlichen Kontakt zu ihren Söhnen haben können, die nicht mit ihr eingezogen wären. Was sie dafür in Kauf nahm: Zerstochene Fahrradreifen, ein verklebter Postkasten und diverse Beschimpfungen. „Frauen lassen eine Menge mit sich machen, wenn sie glauben, dass sie
damit die Familie schützen“, erklärt Braun. Und Kollegin Nagy ergänzt:
„Jede Krise belastet Frauen unverhältnismäßig mehr als Männer.“

15 Ehrenamtliche sorgen dafür, dass das Frauenhaus rund um die Uhr erreichbar ist. Sie übernehmen Telefondienste, helfen bei Hausaufgaben
oder Umzug, begleiten bei Wohnungsbesichtigungen, vermitteln Spenden.
„Ihr Mann wollte sie umbringen“ Elisa Wiesnet ist mit ihren 24 Jahren eine der jüngsten ehrenamtlichen Frauenhaus-Helferinnen, seit Februar über-nimmt sie Dienste. Ihr tut die Arbeit gut, sagt sie. „Das holt mich immer wieder auf den Boden zurück. Außerdem sollten Frauen zusammenhalten. Jeder in einer solchen Notsituation wäre froh, wenn jemand ans Telefon geht und hilft.“ Vor ein paar Nächten organisierte sie die Aufnahme einer Frau mit fünf Kindern. „Ihr Mann wollte sie umbringen. Das nimmt einen
schon mit.“ Manchmal träumt sie nachts von den Dingen, die Frauen ihr erzählt haben. „Und oft denke ich mir: Ich komme schon schwer damit klar, dass diese Frauen solche Dinge erleben müssen. Wie wird es dann den Frauen selbst erst gehen…“ Auch Waltraud Koller-Girke ist manchmal wütend. Für die Ehrenamtliche ist die Wut aber auch ein Antrieb, immer weiter zu machen. Die 72-Jährige hilft schon so lange mit, dass sie die jetzige Frauenhaus-Leiterin noch als Praktikantin erlebt hat. Sie erzählt von Piepsern, die sie vor Beginn des Handy-Zeitalters zu Beginn einer Rufdienst-
Schicht aus dem Büro holen muss. Heute wird einfach das Telefon auf das eigene Handy umgestellt. Sie erinnert sich an ihren ersten Einsatz vor 24 Jahren: „Ich war sehr aufgeregt, ob jemand anrufen würde.“ Schließlich habe keine Frau angerufen, sondern das Frauenhaus Nürnberg, die eine Unterkunft für eine Frau mit drei Kindern gesucht hatte. „Ich habe die vier dann mit dem Kleinbus abgeholt. Die Frau hatte sehr viel Angst vor ihrem gewalttätigen Mann und davor, dass er sie entdeckt. Als sie bei uns im Zimmer auf dem Bett saß, spürte ich, wie sie aufgeatmet hat. Sie war einfach nur erleichtert.“ Anna kann sich auch an diesen einen Moment erinnern, in der ihr die Last wie Steine von den Schultern fiel. Das Gefühl von Ruhe, Stille und Sicherheit hat sich ihr eingeprägt. Sie war angekom-men. Endlich wieder Luft zum Atmen. Nun konnte ihr neues Leben beginnen.